Kathrin Vogler (Die Linke), Steinfurt III

Hat die Corona-Pandemie Ihren Blick auf die Apotheken vor Ort verändert – und falls ja, wie?
Kathrin Vogler: Für mich hat die Situation noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig eine flächendeckende Apothekenversorgung ist. Die Apotheken haben überwiegend schnell und kompetent auf die verschiedenen Anforderungen aus der Politik reagiert - von der Maskenverteilung über Schnelltests bis zum digitalen Impfnachweis. Ich hätte mir allerdings bei mancher dieser Aktionen mehr Vorlauf für die Apotheken gewünscht und eine breitere gesellschaftliche Debatte, auch über angemessene Vergütungen. DIE LINKE hat sich schon immer für die flächendeckende Versorgung mit Präsenzapotheken und die Stärkung des heilberuflichen Charakters der pharmazeutischen Berufe eingesetzt. In diesem Sinne bekämpfen wir alle Versuche, das Fremd- und Mehrbesitzverbot weiter aufzuweichen und andere marktradikale Vorstellungen durchzusetzen. Den heilberuflichen Charakter zu stärken, bedeutet für uns unter anderem, den Aufwand für die Distribution und kurzfristigen Kostendämpfung zu reduzieren (z.B. durch Abschaffung der Rabattverträge und der Importförderung) und stattdessen die patientennahen Aufgaben etwa bei der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und andere pharmazeutischer Dienstleistungen zu fördern.

Welche Rolle sollen die Apotheken vor Ort nach der Corona-Krise für die Gesundheitsversorgung der Menschen spielen?
DIE LINKE setzt sich dafür ein, die Apotheken noch besser in Prävention und Aufklärung einzubinden. Apotheker*innen und ihre Angestellten sind zu gut qualifiziert, als dass sie nur Medikamente ausgeben und Gesundheitsprodukte verkaufen sollten. So könnten sie stärker bei der Koordinierung von Multimedikation eingebunden werden, dabei mit den (teilweise verschiedenen) Verschreibenden kooperieren und die Therapietreue der Patient*innen unterstützen. Wir müssen über eine zumindest teilweise Entkoppelung der Honorierung von der Medikamentenabgabe nachdenken, so dass Beratung auch dann honoriert wird, wenn sie zum Absetzen einzelner Medikamente führt.

Und welche Rolle soll der ausländische Versandhandel künftig einnehmen?
DIE LINKE ist die einzige Partei, die die Legalisierung des RX-Versandhandels seit seinem Bestehen abgelehnt hat. Das im SGB V verankerte Bonusverbot reicht uns nicht, denn es betrifft nur die in der GKV Versicherten und sorgt so nicht für Waffengleichheit zwischen Apotheke und Versandhandel. Wir meinen, dass eine persönliche Beratung in den allermeisten Fällen besser ist als eine schriftliche oder fernmündliche. Hinzu kommt, dass Arzneimittelversender sich nicht oder nur eingeschränkt an aufwändigen, aber notwendigen Aufgaben wie dem Nacht- und Notdienst, der Rezepturherstellung oder der BtM-Abgabe beteiligen. Zudem dürfen ausländische Apotheken nach wie vor bei Privatrezepten Rabatte anbieten, die Präsenzapotheken verboten sind. Auch Menschen mit intensivem Beratungsbedarf wenden sich eher an eine Präsenzapotheke, was die Ungleichbehandlung bei gleicher Honorierung verstärkt. Die Schwierigkeiten, als Patient*in seriöse von unseriösen Angeboten mit erheblichen Gesundgefahren abzugrenzen, kommen hinzu. Das EUGH-Urteil 2016 hat noch einmal gezeigt, dass die Abschaffung des RX-Versandhandels die aus Versorgungssicht einzig richtige Reaktion ist.

Haben Sie schon einmal den Nacht- oder Notdienst einer Apotheke gebraucht?
Ja. Mehr als einmal.

Das E-Rezept kommt – wo werden Sie es einlösen und warum dort?
Ich werde es nach wie vor in der Löwen-Apotheke in Emsdetten einlösen. Ich werde dort seit mehr als 15 Jahren hervorragend betreut und beraten. Außerdem fordert DIE LINKE, ausländische
Versandapotheken von der Nutzung des E-Rezepts auszuschließen und es gibt schon viel zu viele Politiker*innen, die das, was sie politisch fordern, selbst im Alltag nicht umsetzen. Das eRezept bietet Chancen, weil es Medienbrüche und damit Fehlerquellen vermeidet sowie die Selbstbestimmung der Patient*innen stärken kann. Es bringt aber auch Risiken mit sich. So hat DIE LINKE weitere gesetzliche Maßnahmen gegen das widerrechtliche Handeln oder Makeln mit Verordnungen gefordert. Die Versorgung muss weiterhin krisensicher ausgestaltet werden und auch bei einem Zusammenbruch des Internets funktionieren. Wir haben scharf kritisiert, dass die versprochene Freiwilligkeit der eRezept-Nutzung für die Versicherten bei der ersten Gelegenheit von der Regierungskoalition wieder gekippt wurde. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen muss konsequent an den Bedürfnissen und Interessen der Patient*innen ausgerichtet werden. Auch für weniger technikaffine, sozial und finanziell benachteiligte oder Menschen mit Behinderungen müssen alle Zugänge zur Versorgung erhalten bleiben.

Wie wollen Sie das flächendeckende Netz der Apotheken vor Ort für die Zukunft bewahren und damit die persönliche, flexible pharmazeutische Betreuung der Patienten sichern?
DIE LINKE steht zur inhabergeführten Vor-Ort-Apotheke. Nicht, weil wir Standespolitik für die Apotheker*innen machen, sondern weil uns die flächendeckende, kompetente Versorgung und Beratung der Patient*innen am Herzen liegt: Mit Nacht- und Notdiensten, tagesaktueller Versorgung und kompetenter persönlicher Beratung. Wir wollen Apothekenketten, erst Recht in der Hand von Kapitalgesellschaften, mit allen Mitteln verhindern. Wir wollen die Rosinenpickerei des Versandhandels und die damit verbundene Schwächung der Präsenzapotheken beenden. Wir sehen in neuen pharmazeutischen Dienstleistungen ein großes Potential zur heilberuflichen Weiterentwicklung der pharmazeutischen Berufe. Ob zusammen mit dem Krankenhaus oder der Praxis, ob im Pflegeheim oder bei den Patient*innen - auf vielen Ebenen kann die Versorgung besser und sicherer gemacht werden. Falsche Verordnung und Anwendung von Arzneimitteln ist ein stark unterschätztes Problem, bei dem Apotheker*innen ihre Kompetenzen deutlich stärker einbringen können. Wir sind der Überzeugung, dass eine hohe Therapiequalität und die Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen letztlich nicht nur die gesündere, sondern auch die wirtschaftlichere Versorgung ist.


Kathrin Vogler

  • geboren 1963 
  • verheiratet
  • Wohnort: Emsdetten
  • Beruf: Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung, Minden
  • Parteieintritt: 2005 Eintritt in die WASG, seit 2007 DIE LINKE;
  • politische Stationen: seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages; 

Kontakt

Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V.
Willy-Brandt-Weg 11
48155 Münster

Telefon: 0251 539380
Telefax: 0251 5393813
E-Mail: apothekerverband@avwl.de

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8:30 bis 13:00 und 14:00 bis 16:00 Uhr

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