Dr. Anne-Monika Spallek (Grüne), Coesfeld - Steinfurt II

Hat die Corona-Pandemie Ihren Blick auf die Apotheken vor Ort verändert – und falls ja, wie?
Dr. Anne-Monika Spallek: Eigentlich nicht. Mir war vorher schon klar, dass Apotheken ein wesentlicher Bestandteil guter Gesundheitsversorgung sind. 

Welche Rolle sollen die Apotheken vor Ort nach der Corona-Krise für die Gesundheitsversorgung der Menschen spielen?
Patientinnen und Patienten haben einen Anspruch auf eine fachkompetente Beratung. Ganz gleich, ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben, ob sie dringend am Tage oder in der Nacht ein Medikament benötigen, ob sie chronisch krank sind oder nur einen kurzen Infekt haben. Eine patientennahe, flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch Apotheken ist unverzichtbar. Als Experten der Arzneimittelversorgung können Apothekerinnen und Apotheker ein Plus an medizinischer Behandlungsqualität, bessere Arzneimittelsicherheit und weniger Fehlmedikationen schaffen.

Und welche Rolle soll der ausländische Versandhandel künftig einnehmen?
Eine ergänzende Rolle für Medikamente, bei denen es keiner Beratung bedarf.

Haben Sie schon einmal den Nacht- oder Notdienst einer Apotheke gebraucht?
Nein. 

Das E-Rezept kommt – wo werden Sie es einlösen und warum dort? 
Ich werde für meine Apotheken im Ort stets Kunde bleiben. Der regionale Aspekt ist für mich sehr wichtig. Lokale Unternehmen will ich auch politisch stärken. Kleine Betriebe – genauso kleine Apotheken – brauchen faire Rahmenbedingungen dafür. Das Wachse oder Weiche – der Kampf Groß gegen Klein - kann zu einem Problem der Daseinsvorsorge werden. Dafür setze ich mich ein. Skalierungsvorteile von Großapotheken müssen wir gesetzlich abflachen. Möglich wäre ein Sockelfinanzierung (Beratung) oder Definition von mengenabhängigen Sätzen.  Für die Bereiche der Daseinsvorsorge brauchen wir spezielle Regelungen.

Wie wollen Sie das flächendeckende Netz der Apotheken vor Ort für die Zukunft bewahren und damit die persönliche, flexible pharmazeutische Betreuung der Patienten sichern? 
Um diese Aufgaben der Gesundheitsversorgung heute und in Zukunft zu erfüllen, muss die Arzneimittelversorgung durch Apotheken bundesweit wohnortnah, vor Ort tags und nachts gewährleistet sein. Nach Gutachten geht es aber rund der Hälfte der ca. 15.600 (Haupt-)Apotheken gut bis sehr gut, während die andere Hälfte in ihrer Existenz gefährdet ist. Es besteht daher dringender Handlungsbedarf, um die Vergütung und die Rahmenbedingungen der Apothekerinnen und Apotheker schnellstmöglich so zu reformieren, dass eine patientennahe und bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung überall – ob in der Stadt oder auf dem Land – sichergestellt ist. Denn gerade für Akutkranke und ältere Menschen ist die Versorgung durch die Apotheke vor Ort unverzichtbar.

Ich will mich dafür einsetzen, dass die flächendeckende Apothekenversorgung sichergestellt wird. Eine Konzentration auf wenige große (Versand-)Apotheken will ich aktiv entgegenwirken. Ich will, dass die heilberuflichen Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker gezielter honoriert werden und ihnen, etwa nach dem Vorbild der „Arzneimittelinitiative Sachsen Thüringen“ (ARMIN), eine stärkere Rolle insbesondere beim Medikationsmanagement von Patientinnen und Patienten mit chronischen und Mehrfacherkrankungen zugeschrieben wird. 

Die Apothekenvergütung erfolgt starr in Abhängigkeit des Umfangs der erbrachten Leistungen. Eine durchschnittliche Apotheke erwirtschaftet rund 80 bis 85 % ihres Umsatzes durch die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Diese Vergütung, welche je abgegebener Arzneimittelpackung erfolgt, beinhaltet neben der Entlohnung für die pharmazeutische Leistung auch einen Kostenanteil, der die Betriebskosten decken soll. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Betriebs- und andere Kosten nicht proportional mit dem erwirtschafteten Umsatz steigen, sondern im Gegenteil bei steigendem Umsatz relativ gesehen rückläufig sind. So kann eine umsatzstarke Großapotheke andere betriebliche Skaleneffekte erzielen als eine kleine inhabergeführte Apotheke mit wenigen Mitarbeitern und geringerer Zahl abzugebender Arzneimittel.

Um diese unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Kostenstrukturen adäquat in der Vergütung zu berücksichtigen, ist daher eine packungsabhängige Vergütung notwendig, die sich an dem Umsatz der Apotheke orientiert. Größere Apotheken sollen aus diesen betriebswirtschaftlichen Gründen je Packung eine niedrigere Vergütung erhalten als kleinere Apotheken. Schon eine Reduzierung der packungsabhängigen Vergütung von einem Euro für die umsatzstärksten zehn Prozent der Apotheken könnte ein Umverteilungspotential zugunsten kleinerer Apotheken im dreistelligen Millionenbereich bedeuten. Der Großteil der Apotheken, bis zu einem durchschnittlichen Umsatz von derzeit 2,31 Millionen Euro (entspricht ca. 60 % der Apotheken) soll dabei aber nicht belastet werden, sondern könnte im Gegenteil sogar begünstigt werden. Bei der Ausgestaltung soll auch darauf geachtet werden, dass bestehende Überversorgung in Ballungsräumen nicht weiter zementiert wird. Durch die Abschöpfung der höheren Gewinne bei größeren Apotheken sollen Mittel frei werden, um patientennahe Dienstleistungen wie das Medikationsmanagement und den Sicherstellungsfonds zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung zu finanzieren.


Dr. Anne-Monika Spallek

  • geboren 1968
  • verheiratet
  • Wohnort: Billerbeck
  • Beruf: Mathematikerin, seit 1993 Unternehmensberaterin Schwerpunkt Organisations-/Betriebsoptimierung, Wirtschaftlichkeitsanalysen, öffentliche Verwaltung, seit 1999 Leiterin eines Pferdebetriebs
  • Parteieintritt: 1995
  • wichtige berufliche Stationen: Sprecherin Kreisverband Coesfeld; seit 2016: Sprecherin Landesarbeitsgemeinschaft Wald, Landwirtschaft und ländlicher Raum Grüne NRW, seit 2017: Beisitzerin im Bezirksvorstand Westfalen, seit 2019: Delegierte im Länderrat Grüne NRW, seit 2015: Sachkundige Bürgerin in Rat / Kreistag, seit 2020: Abgeordnete im Rat Billerbeck / Kreistag Kreis Coesfeld

 

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