Herford/Münster 24.04.2023
Aktuelles

„Wir müssen die Gesundheitsversorgung durch Apotheken sicherstellen“

Lieferengpässe bei Arzneimitteln und ein zunehmend löchriges Apothekennetz können zum Problem für die Versorgung der Bevölkerung in Stadt und Kreis Herford werden. Davor haben Hartmut Wiesemann und Jens Kosmiky, beide Apotheker und Inhaber alteingesessener Apotheken im Kreisgebiet, nun in einem Gespräch mit Landrat Jürgen Müller und Herfords Bür-germeister Tim Kähler gewarnt. Beide haben den Politikern im Kreishaus einen ungeschönten Blick der aktuellen Lage gegeben.

Dauerärgernis Lieferengpässe

Lieferengpässe sind ein Dauerärgernis für Patienten und Apothekenteams. Doch noch nie sei die Situation so dramatisch wie derzeit gewesen, so die Mahnung der beiden Apotheker. Von den Engpässen betroffen sind insbesondere Antibiotika, viele Arzneimittel für Kinder wie Fiebersäfte, zudem Schmerzmittel, Herz-Kreislauf-Medikamente, Insuline und viele weitere Medikamente. Den Apotheken vor Ort gelinge es meist im direkten Austausch mit Ärzten, individuelle Lösungen für die Patienten zu finden. Doch dies werde immer schwieriger, so Wiesemann, auch weil die Zahl der Apotheken im Kreis in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen sei: Seit 2012 haben im Kreisgebiet 13 der damals noch 75 Apotheken geschlossen, sechs davon im Herforder Stadtgebiet. Ein Trend, der auch über den Kreis hinaus erkennbar ist: Fast ein Fünftel aller Apotheken in Westfalen-Lippe hat seit 2012 für immer die Türen geschlossen. 

Nachwuchssorgen

Ein Hauptgrund: Nur wenige der jungen Apotheker möchten sich selbstständig machen, die große Mehrheit sucht den Weg in die Anstellung. „Als Angestellter hat man einfach weniger, um das man sich kümmern und sorgen muss“, meint Kosmiky: Ein stetig wachsender Bürokratieaufwand, steigende Lohn- und Energiekosten bei gleichzeitig sinkender Ertragslage, enormer Fachkräftemangel und nicht zuletzt auch eine erhebliche Zahl an nicht-kostendeckenden Nacht- und Notdiensten sind unter anderem Schuld daran, dass selbst alteingesessene, gut funktionierende Apotheken für immer aufgegeben werden.
Spürbar wirkten sich die fehlenden Apotheken unter anderem im Nacht- und Notdienst aus: Je weniger Apotheken in der Fläche da sind, welche die täglichen Dienste unter sich aufteilen, desto weiter werden die Wege, die Patienten im Ernstfall in Kauf nehmen müssen. 

Um die Probleme zu lösen und eine versorgungskritische Lage abzuwenden, hat sich die Apothekerschaft mit einem zehn Punkte umfassenden Forderungskatalog an die Bundespolitik gewandt, in dem es unter anderem um Bürokratieabbau, größere Handlungsfreiheit für Apotheken im Sinne einer schnelleren Patientenversorgung und letztlich auch eine zukunftssichere Anpassung der festgelegten Vergütung geht. „In den vergangenen 20 Jahren wurde die Apothekenvergütung ein einziges Mal angehoben – um wenige Cent. Im gleichen Zeitraum sind aber Sach- und Personalkosten gestiegen, die Energiepreise explodieren und die Inflation galoppiert davon“, so Wiesemann. 

„Ein Schlag ins Gesicht“

Er fügt hinzu: „Obendrein hat der Gesetzgeber die Vergütung jetzt sogar noch weiter gekürzt: Seit Februar dieses Jahres müssen wir ein Sonderopfer leisten, um die Finanzierungslücke der Krankenkassen zu decken.“ Dies könne viele Apotheken vor Ort wirtschaftlich überfordern – und frustriere obendrein Inhaber und Mitarbeiter. Während der Corona-Krise hätten die Apothekenteams alles gegeben, um zur Eindämmung der Pandemie beizutragen und die von der Politik verlangten Zusatzaufgaben zu erfüllen. Sie hätten Schutzmasken ausgegeben, Desinfektionsmitteln hergestellt, Schutzkleidung beschafft, Impfstoffe verteilt und nicht zuletzt ein flächendeckendes Netzwerk von Schnelltestzentren errichtet. Da werde die Kürzung der Vergütung als Schlag ins Gesicht aller Apothekenmitarbeiter empfunden. „Wir alle haben in den vergangenen Jahren durchgängig am Limit und streckenweise darüber hinaus gearbeitet, und das immer gerne, ohne zu meckern und im Sinne der Versorgungssicherheit. Uns nun als ‚Dank‘ die Finanzierung zu kürzen, kommt uns vor wie ein Schuss in den Rücken“, meint Kosmiky.

Ein Stück Lebensqualität

Die Notwendigkeit, die Versorgung durch die Apotheken vor Ort sicherzustellen, sehen auch die beiden Politiker. „Apotheken stellen mit ihren Teams einen essentiellen Teil der Gesundheitsversorgung unseres Landes dar“, attestiert Landrat Müller, Mitglied des Gesundheitsausschusses des Landkreistags NRW. Er warnt: „Eine verlorene Infrastruktur bleibt entweder für immer zerstört oder muss teuer wiederbelebt werden. Wir müssen daher Sorge tragen, dass diese Struktur nicht wegbricht.“ Kähler ergänzt: „Die Lebensqualität einer Stadt bemisst sich auch an der medizinischen Versorgung ihrer Einwohner durch Ärzte und Apotheker“. Diese sicherzustellen sei daher unbedingt im Interesse eines jeden Bürgermeisters.

„Wir dürfen die Apotheke und die Selbstständigkeit nicht so unattraktiv machen, dass niemand mehr den Beruf ergreifen und sich niederlassen möchte“, warnt Wiesemann. „Die Grundversorgung der Menschen muss aufrechterhalten werden. Deshalb muss die Bundespolitik die Bedürfnisse und Probleme der Apotheken unbedingt ernst nehmen.“ 
 

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