Minden/Münster 10.08.2023
Aktuelles

„Wir müssen die Gesundheitsversorgung der Menschen im Kreis Minden-Lübbecke für die Zukunft sichern“

Kita-Plätze, Nahverkehr, soziale Teilhabe, Wohnraum – und an erster Stelle Gesundheitsversorgung: Das sind die Themen, die den Menschen in seinem Landkreis am Herzen liegen, weiß Ali Dogan. Als Landrat wolle er sich um diese Dinge kümmern – und sie verbessern, erklärt er auf seiner Internetseite. Aus diesem Grund hat er sich nun auch mit den Vertretern der Apothekerschaft im Kreis Minden-Lübbecke zusammengesetzt, mit dem Kreisvertrauensapotheker Günter Stange sowie Manuela Schier, Vorsitzende der Bezirksgruppe Minden-Lübbecke und Vorstandsmitglied im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Denn beide sehen die Gesundheits- und Arzneimittelversorgung der Menschen in Gefahr.

Hoher Leidensdruck

Im Juni haben sie deshalb ihre Apotheken für einen Tag nicht geöffnet, um stattdessen gemeinsam mit ihren Mitarbeitern gegen die Missstände zu demonstrieren. Nahezu geschlossen beteiligten sich alle anderen Apothekenteams im Mühlenkreis und gingen an diesem Tag auf die Straßen. „Das zeigt, wie groß der Leidensdruck bei Inhabern wie Mitarbeitern ist“, schildert Günter Stange dem Landrat die Stimmungslage. Ali Dogan nimmt sich gemeinsam mit dem zuständigen Dezernenten Hans-Joerg Deichholz und Dr. Indra Schubert, Leiterin des Kreisgesundheitsamtes, bei einem Gespräch im Kreishaus die Zeit, sich über die aktuellen Probleme und die Forderungen der Apotheker zu informieren.

Es sind insbesondere die Lieferengpässe bei Arzneimitteln, die die Patienten, aber ebenso die Apothekenteams nach wie vor massiv belasten, erläutern die beiden Apotheker. Nahezu jedes zweite Rezept, das in den Apotheken eingelöst wird, sei von einem Engpass betroffen. Für die Apothekenteams bedeute dies einen enormen Mehraufwand – von der Suche nach Al-ternativpräparaten bis hin zur Rücksprache mit den ebenfalls stark ausgelasteten Ärzten, so Stange. Zudem müsse man die Patienten mitnehmen und sie gut beraten, damit sie bei einem Austausch des Mittels nicht etwa die Therapie abbrächen.
Um all das neben dem Alltagsgeschäft und vielen neuen Aufgaben zu leisten, fehlt es den beiden Apothekern zufolge aber an den nötigen Ressourcen, insbesondere an den Fachkräften. Sowohl der Beruf des Apothekers wie der des pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) wird von der Bundesarbeitsagentur als Engpassberuf geführt. Die Personalengpässe führten zu immer weiteren Apothekenschließungen oder zumindest zu einer Reduzierung der Öffnungszeiten. „Wir müssen mehr Nachwuchskräfte ausbilden. Bislang gibt es in Westfalen-Lippe nur einen einzigen Studienstandort in Münster. Wir brauchen einen zweiten in Ostwestfalen-Lippe. Und wir müssen mehr PTA an den Schulen ausbilden“, fordert Günter Stange.

Eine Stimme in Berlin

Zudem müssten die Apotheken diese Fachkräfte auch angemessen honorieren können, ergänzt Manuela Schier. „Die Honorierung der Apotheken ist aber in den vergangenen 20 Jahren durch den Gesetzgeber nur ein einziges Mal um wenige Cent erhöht und in diesem Jahr trotz explodierender Energiepreise und hoher Inflation sogar noch gekürzt worden“, kritisiert Manuela Schier. Es gebe Studien, dass die Apotheken mittlerweile pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung, die ein gesetzlich versicherter Patient erhalte, 27 Cent drauflegen müsse, so die Apothekerin.

Überbordende Bürokratie, vor allem aber die stete Sorge vor Regressforderungen der Krankenkassen, ließen den eigentlich schönsten Beruf der Welt unattraktiv erscheinen, so Stange und Schier. So zahlten die Kassen den Apotheken bei kleinsten formalen Fehlern weder das Honorar für die geleistete Arbeit noch erstatteten sie ihnen den Wareneinsatz für die teils hochpreisigen Medikamente. Sie ließen somit ihre Versicherten auf Kosten der Apotheken versorgen, obwohl die Patienten genau die Therapie erhalten hätten, die der Arzt ihnen verordnet habe. „Für die Apotheken vor Ort bedeuten diese Regressforderung ein enormes, teils existenzgefährdendes wirtschaftliches Risiko“, so Günter Stange. Selbst für die Bemühungen, ihre Patienten trotz der Lieferengpässe zu versorgen, würden viele Apotheken nun in Regress genommen. 

Landrat Dogan hört zu. Viele der angesprochenen Fragen fallen nicht in die Kompetenz des Kreises. Doch der Landrat verspricht, die Probleme nun auf Bundesebene zu thematisieren. „Wir müssen die qualitativ hochwertige, wohnortnahe Gesundheitsversorgung der Menschen im Kreis auch für die Zukunft sicherstellen.“


Apothekenzahl 

  • Die Zahl der Apotheken ist im Kreis Minden-Lübbecke in den vergangenen zehn Jahren um 15,5 Prozent zurückgegangen. 
  • In ganz NRW ist die Zahl der Apotheken seit dem Jahr 2000 um rund 1.000 Apotheken bzw. 21 Prozent gesunken.
  • Der Rückgang hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend beschleunigt.
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