Großhändler dürfen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln den Apotheken keine Skonti anbieten, die über eine Spanne von 3,15 % hinausgehen. Das hat nun der Bundesgerichtshof entschieden. Zuverlässig sind die Auswirkungen des Urteils erst abzuschätzen, wenn die Begründung vorliegt und klar ist, wie der pharmazeutische Großhandel darauf reagiert: „Es ist aber zu befürchten, dass dies für die einzelne Apotheke vor Ort massive Einbußen in Höhe von fünfstelligen Beträgen pro Jahr zur Folge haben wird. Damit wird sich das Apothekensterben weiter beschleunigen. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Menschen ist in noch größerer Gefahr“, so Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL).
Zugleich müsse man aber auch das Folgende sehen: „Mit ihrer Entscheidung, keine grenzenlosen Skonti zuzulassen, tragen die Richter dazu bei, die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel auf allen Handelsstufen zu garantieren“, so Thomas Rochell. Zugleich würden damit faire Wettbewerbsbedingungen gesichert. „Der Bundesgerichtshof deckt aber auch auf, wie absurd das System der Apothekenvergütung mittlerweile ist. Denn ohne diese Skonti sind die Apotheken vor Ort längst nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Wir müssen uns mittlerweile unsere Erträge beim Großhandel erbitten, weil die staatlich reglementierte Vergütung nicht mehr auskömmlich ist. Nun wieder nach Marktmechanismen zu suchen, die dann wiederum zu einer erbettelten Marge führen könnten, ist zu kurz gedacht. Damit kaschieren wir nur weiter die Webfehler des Systems.“ Nachdem das Honorar seit 20 Jahren de facto nicht mehr erhöht worden sei, zahlten die Apotheken inzwischen 46 Cent pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung drauf. Ohne die Quersubventionierung über Skonti und Einkaufskonditionen, sei dies nicht darstellbar. Rochell fordert daher: „Die Politik muss endlich Sorge für eine angemessene, faire und auch transparente Honorierung der Apotheken vor Ort tragen. Und zwar bevor weitere Apotheken schließen müssen.“ Tue die Politik dies hingegen nicht, riskiere man die unwiederbringliche Zerstörung von Grundpfeilern der Gesundheitsversorgung in unserem Land.
Als Sofortmaßnahme schlägt Rochell vor: „Der Zwangsrabatt, den die Apotheken vor Ort den Krankenkassen pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung gewähren müssen, ist sofort komplett zu streichen. Mit Blick auf die nicht honorierten Leistungen der Apotheken für das GKV-System – wie z.B. das Inkasso der Herstellerrabatte und der Zuzahlung – ist eine Vergütung einzuführen. Anderenfalls sind diese Leistungen ersatzlos zu streichen.“ Um die Abschaffung des Kassenrabatts zu finanzieren, solle die Mehrwertsteuer auf verschreibungspflichtige Arzneimittel im Gegenzug vollständig abgeschafft werden. Dies würde für die gesetzlichen Krankenkassen nicht nur den Ausfall des Kassenrabatts mehr als kompensieren, sondern zugleich Spielräume für die dringend erforderliche Honorarerhöhung eröffnen. Rochell erklärt: „Über die Mehrwertsteuer verdient der Staat an jeder Arzneimittelpackung deutlich mehr als die Apotheken – und das zu Lasten der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung.“
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