Von den vermeintlich Reichen nehmen und den Armen geben? Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) will das Apothekenhonorar umverteilen und fordert einen Versorgungsbonus für Landapotheken. „Damit allerdings bringen die Kassen nicht nur die Arzneimittelversorgung der Patienten in Gefahr; die Ideen sind zudem schlicht rechtswidrig“, kritisiert Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) die Vorschläge.
Die Vergütung der Apotheken ist staatlich reglementiert. Sie erhalten 8,35 Euro pro abgegebener verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung. Davon wiederum müssen sie den Krankenkassen einen Zwangsrabatt in Höhe von zwei Euro einräumen. Hinzu kommt ein prozentualer Zuschlag von 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis. Die Pauschale ist trotz massiv gewachsener Sach- und Personalkosten und einer hohen Inflation in den vergangenen 20 Jahren nicht gestiegen.
Der GKV-SV will nun den Apotheken mit hohen Umsätzen weniger Geld pro abgegebener Packung zahlen, während Apotheken in ländlichen Regionen mit entsprechend geringerem Absatz einen Versorgungsbonus erhalten sollen. „Dies wäre ein Verstoß gegen das durch den Gesetzgeber und auch gerade erst durch das Oberlandesgericht München bestätigte Prinzip der einheitlichen Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel“, kritisiert Thomas Rochell. Diese Preisbindung gebe es aus gutem Grund, um die gleichwertige, flächendeckende und gute Versorgung der Patienten zu sichern. Nicht zuletzt auch die Engpass-Krise, in der die Nachfrage nach Arzneimitteln das Angebot deutlich übersteige, zeige, dass diese Preisbindung nicht aufgegeben werden dürfe. „Und wer krank ist, darf nicht gezwungen sein, erst Preise vergleichen zu müssen. Die Versuchung wäre im Übrigen groß, Patienten von den teuren Landapotheken aus Kostengründen in die günstigeren Stadtapotheken umzulenken.“
Geradezu naiv sei die Kritik der Krankenkassen an der hohen Apothekendichte in Großstädten. Apotheken könnten nämlich selbst kaum eine Nachfrage auslösen, so Rochell. Ca. 80 Prozent ihres Umsatzes machten sie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und diese dürften aus gutem Grund gegenüber dem Verbraucher nicht beworben werden. „Apotheken siedeln sich deshalb, wenn möglich, im Umfeld von Arztpraxen an, weil die Patienten nach dem Arzttermin die umliegenden Apotheken aufsuchen“, so Rochell. Fehlten Apotheken auf dem Land, sei dies nur ein Indikator dafür, dass die Gesundheitsversorgung hier insgesamt ausgedünnt sei. Die Zahl der Apotheken in Innenstadtlagen zu dezimieren, könne negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung haben, warnt Rochell: „Die Apotheken auch in den Großstädten sind allesamt an ihren Kapazitätsgrenzen und können nicht unbegrenzt Patienten anderer Apotheken, die schließen müssen, auffangen.“
Im Übrigen weist er auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958 hin, das mit einer wegweisenden Entscheidung zur Berufsfreiheit die Niederlassungsfreiheit der Apothekerinnen und Apotheker festgeschrieben habe.
„Eine Honorarumverteilung wird die Apotheken vor Ort nicht retten können, sondern bedeutet ein zusätzliches Risiko für die Versorgung der Patienten“, so Rochell. Nachdem die Vergütung nunmehr seit 20 Jahren nicht mehr erhöht worden sei, sei die Honorierung schlicht nicht mehr auskömmlich. „Wir zahlen mittlerweile pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung 46 Cent drauf. Bislang ist das nur machbar gewesen, weil der pharmazeutische Großhandel die Apotheken durch Skonti subventioniert hat.“ Dies ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes nicht mehr möglich.
„Statt den Robin Hood der Arzneimittelversorgung zu geben, sollten die gesetzlichen Krankenkassen lieber darauf verzichten, den Apotheken durch ungerechtfertigte Regressforderungen das Leben schwer zu machen und ihnen Leistungen abzuverlangen, ohne sie zu vergüten – wie beispielsweise das Einziehen der Zuzahlung. Die annähernd 100 Kassen sollten auch überlegen, wie sie ihre eigenen Verwaltungskosten reduzieren können, die mehr als 4 Prozent der GKV-Einnahmen ausmachen. Für die Apotheken zahlen sie nicht einmal halb so viel.“
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