Münster 15.02.2023
Aktuelles

Gesetz gegen Arzneimittel-Lieferengpässe ist eine Verschlimmbesserung

Arzneimittel-Lieferengpässe belasten Patienten, Eltern und Apothekenteams seit Monaten. Nachdem die Erkältungssaison nun ihrem Ende zugeht, hat der Bundesgesundheitsminister endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt – mit dem Ziel, Lieferengpässe künftig zu verhindern oder zumindest besser bewältigen zu können. „Die geplanten Regelungen werden die Situation aller-dings kaum verbessern, sondern eher verschlimmern“, kritisiert Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL). 

Kopfstände vollführt

Wenn die Apotheken Patienten mit Arzneimitteln versorgen, sind sie an strikte Abgaberegeln gebunden. So müssen sie zum Beispiel Rabattverträge berücksichtigen, die von den Krankenkassen mit bestimmten Herstellern von Arzneimitteln geschlossen worden sind. Diese Abgaberegeln sind für die Zeit der Corona-Pandemie gelockert worden. „Ohne diese Sonderregeln hätten wir die Krise in diesem Winter überhaupt nicht stemmen können“, so Rochell. Doch die Bestimmungen laufen im April aus. Künftig sollen sie laut dem neuen Gesetzentwurf nur noch für Arzneimittel gelten, die auf der Engpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte stehen. „Dort finden sich allerdings nur verschreibungspflichtige Arzneimittel, also keine Husten- und Fiebersäfte für Kinder. Zudem spiegelt diese Liste bei Weitem nicht die Wirklichkeit in den Apotheken wider“, bemängelt Rochell. „Statt die Regeln wieder zu verschärfen, brauchen wir in den Apotheken vor Ort noch viel mehr Flexibilität als bisher, um solch dramatische Engpässe wie in diesem Winter bewältigen zu können.“

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken vor Ort haben in den vergangenen Wochen und Monaten von morgens bis abends Kopfstände vollführt, um kranke Kinder, aber auch erwachsene Patienten irgendwie mit Antibiotika, Husten- und Schmerzmitteln oder Insulin versorgen zu können“, fügt er hinzu. Jedes zweite Rezept sei derzeit von einem Engpass betroffen. Alternative Lösungen in Abstimmung mit dem Arzt zu finden, koste die Apothekenmitarbeiter mitunter pro Rezept eine komplette Arbeitsstunde. „Dass ein Minister aus der Partei, die den Mindestlohn durchgesetzt hat, diesen Mehraufwand nun mit gerade einmal 50 Cent vergüten will, ist ein weiteres Zeichen der Missachtung der Apotheken-Leistungen – und ein Skandal.“ 50 Cent seien nicht ansatzweise kostendeckend. Die Kassen müssten für diesen Zuschlag Medienberichten zufolge eine einstellige Millionensumme jährlich aufwenden. Allein durch die Rabattverträge mit den Herstellern, die eine der Hauptursachen für die Engpassproblematik sind, haben die Kassen im Jahr 2021 hingegen 5,1 Milliarden Euro gespart.

Keine Bereitschaft, kein Know-how

„Wir weisen seit Jahren auf die zunehmenden Lieferengpässe sowie deren Ursachen hin. Seit Monaten warnen wir davor, dass sich die Lage immer weiter zuspitzt. Nachdem der Minister im Dezember erste Eckpunkte für ein Gesetz vorgelegt hatte, haben wir bereits auf die Schwachstellen darin aufmerksam gemacht. Wir haben mit vielen Abgeordneten gesprochen und unsere Argumente dargelegt. Dabei sind wir auf viel Verständnis getroffen. Dennoch ist im nun vorgelegten Gesetzentwurf nicht nachjustiert worden. Dass der Politik offenbar nichts Besseres einfällt als dieser Entwurf, ist schlicht ein Armutszeugnis. Es zeugt davon, dass den politisch Verantwortlichen entweder die ehrliche Bereitschaft fehlt, den Missständen wirklich abzuhelfen, oder aber ihnen fehlt das sachlich-fachliche Know-how dazu. Das eine wie das andere ist gleichsam erschreckend und wird politische Konsequenzen haben müssen. Wenn der Bundesgesundheitsminister wirklich wissen will, wie die Probleme zugunsten einer gesicherten Patientenversorgung zu lösen sind, sollte er sich schleunigst mit den Apothekerorganisationen in Verbindung setzen und die Lebenswirklichkeit in einer Apotheke vor Ort kennenlernen.“
 

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