Schalksmühle/Münster 24.05.2023
Aktuelles

„Danke, für Ihren Dienst vor Ort“

Rechtzeitig zur parlamentarischen Beratung des Engpässe-Gesetzes hat sich die Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari (SPD), Mitglied im Bundestagsgesundheitsausschuss, noch einmal ein Bild von den aktuellen Problemen in der Arzneimittelversorgung gemacht. In der Hirsch-Apotheke im westfälischen Schalksmühle hat sie mit Inhaber Wolf-Rüdiger Tews, seinem Kollegen Claus Wunderlich aus dem benachbarten Halver sowie Thomas Rochell, Vor-standsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), über die aktuellen Herausforderungen gesprochen, vor denen sich die Apotheken derzeit sehen. 

Von Beruf Kinderärztin mit einer Praxis im nahegelegenen Attendorn weiß Nezahat Baradari um die Dramatik der aktuellen Versorgungsengpässe unter anderem bei Antibiotika-Säften und vielen anderen Kinderarzneimitteln. Sie kennt den Aufwand, den die täglichen Rücksprachen von Apotheken und Arztpraxen im Falle von Lieferengpässen mit sich bringen. „Das bindet auf beiden Seiten die knappen Mitarbeiter-Ressourcen und ist für alle Beteiligten nicht zufriedenstellend“, bestätigt sie.

„Wir müssen davon wegkommen, dass wir wegen jeder Kleinigkeit in den Arztpraxen anzurufen haben. Wir brauchen daher die Möglichkeit, entsprechend unserer pharmazeutischen Kompetenz flexibel auf Alternativen auszuweichen“, gibt Claus Wunderlich der Politikerin mit auf den Weg, das Engpässe-Gesetz im Bundestag noch einmal nachzubessern und den Apotheken größtmögliche Handlungsfreiheit zu geben. 

„Und zwar ohne das Risiko, dass die Krankenkassen die Bemühungen der Apotheken, ihre Patienten irgendwie zu versorgen, damit honorieren, dass sie deren Rechnungen auf null kürzen“, fordert der AVWL-Vorsitzende Thomas Rochell. Dass die Kassen kleinste Formfehler unberechtigt ausnutzen, um den Apotheken ihren Wareneinsatz nicht zu erstatten, ist für ihn ein großes Ärgernis. Ebenso, dass echte Verhandlungen auf Augenhöhe, bei denen die Versorgung der Patienten im Fokus steht, nicht mehr möglich sind. 

Als niedergelassene Kinderärztin kennt auch Nezahat Baradari das Phänomen der Regresse. Für den Unmut der drei Apotheker über dieses Vorgehen der Kassen zeigt sie ein gewisses Verständnis. Sie habe Dirk Heidenblut, den zuständigen Berichterstatter der SPD für Apothekenfragen, auf die Problematik hingewiesen. Heidenblut hat sich bereits mehrfach öffentlich für ein Abschaffung der Nullretaxationen ausgesprochen. 

„Die auch im Gesundheitswesen herrschende 
Geiz-ist-geil-Mentalität hat uns so weit gebracht.“
Nezahat Baradari zur Ursache der Lieferengpässe

Baradari lässt anklingen, dass nahezu jedes Gesetz im Laufe der parlamentarischen Beratungen noch verändert wird, ohne aber Details zu nennen, welche Anpassungen die Apotheken erwarten können. Dass zudem das Honorar der Apotheken dringend erhöht werden muss, macht Thomas Rochell deutlich. „Das Honorar ist seit dem Jahr 2013 nicht mehr angepasst, in diesem Jahr trotz explodierender Energiepreise und hoher Inflation sogar noch gekürzt worden. Das System ist mittlerweile unterfinanziert“, sagt er. „Wir werden dagegen am 14. Juni bundesweit protestieren. Wir werden auch hier in Westfalen-Lippe die Apotheken schließen“, fügt er hinzu. „Der Druck in der Basis ist extrem hoch.“ Die Engpass-Pauschale von 50 Cent, die im Gesetzentwurf vorgesehen ist, könne diese chronische Unterfinanzierung nicht im Ansatz wettmachen. 

Jede zweite Apotheke in ihrem lokalen Umfeld habe in den vergangenen Jahren schließen müssen, rechnen Wolf-Rüdiger Tews und Claus Wunderlich der Abgeordneten vor. Beide sorgen sich um die flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum. „Es muss etwas getan werden“, fordern auch sie eine Honoraranpassung, aber auch Maßnahmen gegen den enormen Fachkräftemangel sowie die belastende Bürokratie. Tews weist darauf hin, dass gerade einmal zwei Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen auf die Apotheken vor Ort entfielen. „Wenn man diese zwei Prozent kaputtspart, merkt das System nichts davon – wohl aber der Patient“, warnt er.

Nezahat Baradari ermutigt die Apotheker, immer wieder das Gespräch mit der Politik zu suchen und auf die massiven Probleme in der Versorgung hinzuweisen. „Ich verspreche nichts und wir werden auch nicht alles von heute auf morgen ändern können, aber wir hören sie und werden versuchen, gute Lösungen zu finden.“ Und sie fügt an: „Danke für Ihren Dienst vor Ort und dafür, dass Sie durchhalten.“
 

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