Münster 31.03.2022
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Bürokratie behindert nach Klinikentlassung die Medikamentenversorgung

Frisch aus dem Krankenhaus entlassen, brauchen viele Patienten erst einmal Ruhe. Um ihnen in den ersten Tagen nach der Klinik einen weiteren Besuch beim Haus- oder Facharzt zu ersparen, dürfen Klinikärzte seit einigen Jahren Rezepte mitgeben, sodass die Versorgung mit Medikamenten fürs Erste gesichert ist. Allerdings weisen diese Rezepte häufig formale Fehler auf mit der Folge, dass die Apotheken den Patienten die Medikamente nicht mitgeben können. Denn es besteht das Risiko, dass die Krankenkassen der Patienten die Kosten nicht übernehmen. „Das ist in höchstem Maße ärgerlich und sehr belastend für die Patienten, für deren Genesung weitere Aufregung gewiss nicht zuträglich ist“, kritisiert Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL).

Aufwendige Prüfung

Mal hat der Arzt vergessen, seine persönliche Arztnummer auf das Rezept zu schreiben. Mal hat er die Betriebsstättennummer des Krankenhauses nicht eingefügt. Oder er hat ganz korrekt die kleinste Packungsgröße verordnet – ohne zu wissen, dass es diese für das verschriebene Mittel auf dem Markt gar nicht gibt. Die Apotheke kann in einem solchen Fall nicht einfach eine größere Menge mitgeben und schon gar nicht mit der Krankenkasse abrechnen. 

All diese Formalien muss die Apotheke aufwendig prüfen, um bei Fehlern mit dem Arzt Rücksprache zu halten. „Meistens jedoch ist er dann nicht erreichbar, weil er im OP-Saal steht, auf Visite unterwegs oder seine Schicht vorbei ist“, sagt Thomas Rochell. „Dann können wir den Patienten nicht mit den notwendigen Arzneimitteln versorgen; allenfalls gegen Selbstzahlung, was sicher nicht im Sinne des Erfinders ist. Denn wenn wir einmal ein Detail übersehen sollten, erstatten uns die Krankenkassen hinterher nicht die Kosten für das Medikament, obwohl wir für den Fehler gar nicht verantwortlich sind.“ 

Kulanz- und Sonderregelungen enden bald

Was viele nicht wissen: Der Apotheker geht in Vorkasse, wenn er ein Arzneimittel abgibt. Gegen Vorlage des Rezepts bei der Krankenkasse bekommt er später nicht nur seine Leistung honoriert, sondern auch den Einkaufswert erstattet. Bei einem solchen Formfehler aber wird nicht nur sein Honorar beschnitten; es wird ihm auch der Einkaufswert nicht beglichen, obgleich der Patient doch das richtige Arzneimittel bekommen hat. Die Angst, wegen eines solchen Details belangt zu werden, ist nicht unbegründet und weit verbreitet. Es gibt sogar Prüfzentren, die im Auftrag der Krankenkassen entsprechende Formfehler aufspüren, um der Apotheke die Rechnung kürzen zu können.

„Die Zeit, die wir in den Apotheken aufbringen müssen, um diese bürokratischen Vorgaben zu kontrollieren, könnten wir besser für die Beratung und Betreuung der Patienten nutzen“, so Thomas Rochell. Bislang hat es noch letzte Kulanzregelungen mit den gesetzlichen Krankenkassen gegeben. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat sich in Gesprächen aber geweigert, diese weiter zu verlängern. Ebenso laufen in wenigen Wochen die Corona-Sonderregeln aus, die den Apotheken vor Ort mehr Handlungsspielraum lassen, um die Patienten in der Pandemie versorgen zu können.

Verlässliche Lösung gefordert

„Wir brauchen auch keine Kulanz- oder Sonderregelungen“, so Rochell, „sondern eine auf Dauer angelegte handhabbare Lösung statt dieses Bürokratiemonsters. Der Gesetzgeber muss hier im Interesse der Patienten eine verlässliche Regelung treffen.“ Bei keinem „normalen“ Rezept, das niedergelassene Ärzte ausstellen, hätte die Apotheke entsprechende Prüfpflichten, so Rochell. „Ausgerechnet, wenn Patienten besonders unkomplizierte und schnelle Hilfe brauchen, werden uns aber solche Hindernisse in den Weg gelegt.“


Nur drei Tage lang gültig

  • Seit 2017 können Klinikärzte ihren Patienten ein Rezept ausstellen, das die Anschlussversorgung mit Medikamenten für die ersten Tage nach der Klinik bis zum nächsten Hausarztbesuch sichert.
  • Mehr als 1,9 Millionen Mal haben Patientinnen und Patienten im vergangenen Jahr am Ende ihres Krankenhausaufenthaltes ein Entlassrezept für ihre örtliche Apotheke erhalten. 
  • Die Entlassrezepte sind nur drei Werktage gültig und müssen schnell eingelöst werden.  
     
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Kontakt

Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V.
Willy-Brandt-Weg 11
48155 Münster

Telefon: 0251 539380
Telefax: 0251 5393813
E-Mail: apothekerverband@avwl.de

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