Hagen 30.01.2023
Aktuelles

„Bereit, die Dinge anzugehen“

Fiebersäfte für Kinder und Zäpfchen für die Kleinsten: Wenn Fertigarzneimittel knapp sind, könnten die Apotheken zwar aushelfen, sie dürfen die Mittel aber nicht ohne weiteres selbst anfertigen. Daher fordert Dr. Janosch Dahmen, Bundestagsabgeordneter der Grünen für Hagen und den Ennepe-Ruhr-Kreis: „Wir müssen das Potenzial der Apotheken vor Ort viel besser nutzen“. Auf Einladung von Jörg Pesch, Vorsitzender der Bezirksgruppe Hagen im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), hat sich Dahmen nun in dessen Apotheke ein Bild vom Ausmaß der Engpässe und der aktuellen Situation vor Ort gemacht.

Die spitze sich seit Jahren schon zu, schildert Pesch die Lage. „Engpässe sind kein neues Phänomen, wir haben immer wieder darauf hingewiesen – ohne dass etwas passiert ist.“ Mit einer Reihe von Maßnahmen, die das Bundesgesundheitsministerium im Dezember in einem Eckpunktepapier angekündigt hat, will die Politik nun gegensteuern. Dahmen forderte darüber hinaus, den Apotheken mehr Freiheiten zu geben, im Falle von Lieferengpässen auf Alternativen auszuweichen. So müsse unter anderem sichergestellt werden, dass die Apotheken ohne neue Verordnung vom Arzt Rezepturen herstellen könnten und auch bezahlt bekämen.

Bürokratischer Aufwand

Damit allein sei es jedoch nicht getan, machte Pesch deutlich. Ihn ärgert vor allem der enorme bürokratische Aufwand, der in den Apotheken für jedes Fläschchen Fiebersaft und jede Salbe betrieben werden müsse. Eine Viertelstunde wende eine Fachkraft für die eigentliche Herstellung auf – und 45 Minuten für die Dokumentation. Damit sei ein Mitarbeiter eine komplette Stunde gebunden – und das in Zeiten eines enormen Fachkräftemangels. „Das sollten wir ändern“, räumte Dahmen im Gespräch ein und erbat vom Berufsstand Vorschläge, wie der Prozess zu verschlanken sei.

Ebenso ist es wichtig, sich mit dem Problem von Regressen zu befassen, die allein auf Grund von bürokratischen Formfehlern zustande kommen, obgleich der Patient genau das vom Arzt verordnete und vorgesehene Arzneimittel erhalten habe, erläutert Pesch. Immer wieder honorieren Krankenkassen in solchen Fällen weder die Arbeit noch erstatten sie den Apotheken ihren Wareneinsatz. Dahmen stellte in Aussicht, etwaige Lösungen im Rahmen der Debatte eines Gesetzes zur Entbürokratisierung im Gesundheitswesen zu erörtern.

Pesch machte deutlich, dass solche Regresse die Apothekenvergütung zusätzlich schmälerten. Dies sei nicht mehr zu verkraften, nachdem das Honorar seit zehn Jahren trotz steigender Kosten und hoher Inflation nicht mehr angepasst worden sei. Obendrein werde es nun zu Februar von der Politik weiter gekürzt. Zwar hat der Bundesgesundheitsminister einen Aufschlag von 50 Cent pro Arzneimittelpackung in Aussicht gestellt, die von einem Lieferengpass betroffen ist und daher eine Rücksprache mit dem Arzt erfordert, aber die deckten nicht einmal im Ansatz die Kosten für den Aufwand der in den Apotheken und im Übrigen auch in den Arztpraxen entstehe. Pesch kritisierte die Honorierungspolitik scharf.

Verbesserung der Notfallversorgung

Dahmen erläuterte die großen Herausforderungen in der nachhaltigen Absicherung der Finanzierung der gesetzlichen Kassen. Der Bund habe sich deshalb im Finanzstabilisierungsgesetz im vergangenen Jahr zunächst entschieden, die Lasten auf viele Schultern zu verteilen und alle Leistungserbringer von der Ärzteschaft über die Apotheken und Krankenhäuser bis hin zur Pharmaindustrie gleichermaßen in Verantwortung zu nehmen. Er kündigte für dieses Jahr auch eine Reform der Notfallversorgung an, bei der geprüft werden sollte, wie der Apothekennotdienst und die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung im Notfall verbessert werden kann. Dahmen sagte zu, hier auch prüfen zu wollen, wie eine Wettbewerbsverzerrung beim Versandhandel in der Sicherstellung der Apothekennotdienste etwa durch eine Reform der Vergütung vermieden werden könne.

Die Ampelkoalition habe im ersten Jahr ihrer Regierung nicht sofort alle Probleme lösen können, die sich in der Vergangenheit über viele Jahre aufgestaut hätten, so Dahmen. „Doch ein Gutes hat diese Engpass-Krise: Sie hat ein Bewusstsein in der Gesellschaft für die Probleme geschaffen und die Bereitschaft in der Politik erhöht, die Dinge anzugehen.“

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