Am Anfang war die Skepsis. „Der Wunsch nach der Selbstständigkeit ist da“, so ein Teilnehmer zu seiner Stimmung und fragte dann doch: „Aber will ich mir das wirklich antun?“ Um das herauszufinden, haben nun annähernd 30 Teilnehmer an einem Existenzgründungsworkshop teilgenommen, den apoBank, NOWEDA, Treuhand Hannover, Apothekerkammer und Apothekerverband Westfalen-Lippe in Münster veranstaltet haben.
Hier bekamen die Teilnehmer einen ersten Überblick darüber, was alles zu bedenken ist und wer einem wie auf dem Weg in die Selbstständigkeit bzw. in den ersten Jahren nach der Gründung helfen kann. Zudem gab es Infos zu rechtlichen Fragen, zur Finanzierung, zu steuerlichen Aspekten, Lagerhaltung und Großhandel, erste Einblicke in betriebswirtschaftliche Grundlagen, Zahlenwerke und Marktanalysen. Alle weiteren Fragen, die auf den Nägeln brannten, konnten in einem Speeddating gestellt werden.
Mit einem Überblick zur Branchenlage startete Marcus Schniedermeier von der Treuhand Hannover in den Tag – ohne die Situation schönzufärben. Auch nach dem Regierungswechsel in Berlin sei noch keine echte politische Kehrtwende in Sicht und die Apothekenschließungen setzten sich wei-ter fort. Ein Grund dafür sei neben den politischen Rahmenbedingungen die Alterung der derzeitigen Apothekeninhaber – und genau das sei eine Chance für die Gründungswilligen: „Es werden in nächster Zeit viele Apotheken frei. Sie haben die Qual der Wahl und können sich Ihre Lieblingsapo-theke aussuchen.“
Welche das ist, müsse jeder Interessent für sich entscheiden: die Apotheke im Center mit viel Laufkundschaft oder die Landapotheke mit großer persönlicher Nähe zu den Patienten? Eine Apotheke mit hohem Ertrag oder die kleine Offizin im Heimatort? Bei der Entscheidung sollte man nicht nur Zahlen, Daten, Fakten analysieren, sondern auch auf das eigene Bauchgefühl vertrauen, so der Rat von Katrin Wesel und Verena Löcken. Die beiden jungen Gründerinnen haben sich Ende des Jahres 2024 selbstständig gemacht und nahmen an dem Workshop teil, um Gründungswillige an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen. Zudem solle man Hilfe annehmen, von Experten wie zum Beispiel Treuhand, Noweda und apoBank, aber auch aus dem persönlichen Kollegen-Netzwerk und auch Erfahrungsaustausch-Gruppen.
Eine Herausforderung, auf die sich alle Gründer heutzutage einstellen müssen: Die Personalsuche und -bindung. Darauf wiesen Julius Rochell und Eva Tingelhoff hin, ebenfalls noch nicht lange selbstständig. Doch das Engagement fürs Team zahle sich mehr als aus. „Wenn alles läuft und die Mitarbeiter mit einem Lächeln zur Arbeit kommen, dann gibt einem das ganz viel zurück“, so Eva Tingelhoff. „Zu sehen, wie alles funktioniert und den Betrieb nach den eigenen Vorstellungen ge-stalten zu können, den Spaß der Mitarbeiter an der Arbeit zu erleben – das macht unfassbar viel Freude“, so Julius Rochell.
Mit einem guten Team sei im Übrigen auch die Sorge unberechtigt, dass man als Inhaber keine Zeit mehr für Partner, Kinder, Freunde und Hobbys habe. Auch wenn man stets in der Verantwortung sei und oft auch Lücken füllen müsse, so könne man sich doch seine Freiräume schaffen. Die Bedenken, als Selbstständiger eher Unternehmer denn Heilberufler zu sein, konnten die jungen Gründer ebenfalls zerstreuen. „Ich bin nicht Apotheker geworden, um nur am Schreibtisch zu sitzen“, so Julius Rochell. Zwar stehe man nicht mehr ganz so häufig am Handverkaufstisch, dafür aber gewinne man viele neue spannende Aufgaben hinzu. Es sei unglaublich schön, beides tun zu können, Heilberuf und Organisation zu verbinden. Gerade für einen Gründer sei es wichtig, für die Pa-tienten sichtbar zu sein, bestätigte Eva Tingelhoff.
Wie viel eine Apotheke kostet, wie man sie finanziert, welche Fördermöglichkeiten es gibt – diese Fragen beantwortete Stefan Günter, Direktor der apoBank-Filiale in Münster. Tipps zu Steuerfragen gab Annette Gerdemann, Leiterin der Niederlassung Münster der Treuhand Hannover. Wie man nach der Gründung durch den Alltagsdschungel von Krankenkassenverträgen, Abgaberegeln, Abrechnung und Retaxationen findet, erläuterte Sebastian Denzin, Syndikusrechtsanwalt beim Apothekerverband Westfalen-Lippe. Tipps für die Lagerhaltung gab André Schwietert von der NOWEDA. Sein Abschlussplädoyer an die Teilnehmer: „Trauen Sie sich, das ist ein toller Job!“
Und tatsächlich war am Ende des Tages der Mut spürbar gewachsen: Die Skepsis habe sich ein gutes Stück weit gelegt, so die Bilanz des Teilnehmers, der sich anfangs noch gefragt hatte, ob er sich die Selbstständigkeit „antun“ wolle.
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