Minden/Münster 07.09.2023
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„Wir brauchen eine stabile Apothekenversorgung“

Den Protest scheut er offenbar nicht: „Heizungsrebell“ ist Frank Schäffler im Frühsommer von den Medien genannt worden, weil sich der FDP-Bundestagsabgeordnete gegen den Entwurf des Koalitionspartners für ein Heizungsgesetz gestellt hatte. Selbst also kein stiller Mitläufer, geht er auch den Protesten anderer nicht aus dem Weg: In der Mindener Königstor-Apotheke hat er sich nun darüber informiert, warum die Apotheken vor Ort seit Monaten rebellieren – und weshalb die Stimmung in den Teams so aufgeheizt ist.

Lieferengpässe auch im kommenden Winter

Entzündet hat sich der Apothekenprotest an den massiven Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Diese belasteten Patienten wie Apothekenteams seit Jahren, erläutert Günter Stange, Inhaber der Königstor-Apotheke und Kreisvertrauensapotheker in Minden-Lübbecke. „Wir Apotheker weisen schon lange auf das Problem hin. Im vergangenen Winter hat sich die Lage teils dramatisch zugespitzt – und wir werden auch in der kommenden Erkältungssaison wieder massive Schwierigkeiten bekommen“, prognostiziert Günter Stange. Das Engpass-Gesetz, das der Bundestag im Juni verabschiedet hat, bringe keine nachhaltige Lösung.

So müssen die Apotheken vor Ort weiterhin täglich Alternativen für die Patienten finden, deren Arzneimittel nicht lieferbar sind. Und das sind nicht wenige: Nach wie vor ist jedes zweite Rezept von einem Engpass betroffen. Häufig im direkten Austausch mit dem Arzt des Patienten suchen die Apotheken nach Auswegen. Zu diesem Zweck aber werde ein flächendeckendes Netz von Apotheken benötigt, in denen die Patienten Rat und Hilfe finden, sagt Manuela Schier, Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL). Dieses Netz jedoch sieht sie in Gefahr. Grund sei, dass die Apotheken vor Ort nicht mehr auskömmlich finanziert seien. „Die reglementierte Honorierung der Apotheken ist in den vergangenen 20 Jahren durch den Gesetzgeber nur ein einziges Mal um wenige Cent erhöht und in diesem Jahr trotz explodierender Energiepreise und hoher Inflation sogar noch gekürzt worden“, kritisiert Manuela Schier. Es gebe Studien, dass die Apotheken mittlerweile pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung, die ein gesetzlich versicherter Patient erhalte, 27 Cent drauflegen müssten, so die Apothekerin. „Ein Viertel der Apotheken vor Ort ist nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben und von Schließung bedroht.“

In Gefahr gebracht werde das Apothekennetz aber auch durch einen massiven Fachkräftemangel, ergänzt Hauke Stange, ebenfalls Apotheker in Ostwestfalen und Vorsitzender der AVWL-Bezirksgruppe Bielefeld. Viele Standorte müssten auch deshalb schließen, weil kein Personal zu finden sei. „Wir müssen deshalb mehr Apotheker ausbilden“, fordert Hauke Stange. Bislang gebe es in Westfalen-Lippe mit der Uni Münster nur einen einzigen Standort. Die Zahl der dort ausgebildeten Apotheker reiche bei Weitem nicht aus, den Bedarf im ganzen Landesteil zu decken. Die Uni Bielefeld und die Technische Hochschule in Lemgo stünden bereit, einen zweiten Studiengang in Kooperation aufzubauen – „es fehlt nur noch eine positive Entscheidung des Landes“, so Hauke Stange. Ebenso müssten auch mehr pharmazeutisch-technische Assistenten ausgebildet und dazu weitere Schulplätze geschaffen werden.

Verzerrter Wettbewerb

Ein weiteres Risiko sehen Günter und Hauke Stange in den ungleichen Wettbewerbsbedingungen, die für Apotheken vor Ort und den ausländischen Versandhandel gelten. Während die Apotheken vor Ort Nacht- und Notdienste leisteten, individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Rezepturen wie Salben und Cremes herstellten und im Falle von Lieferengpässe wie im vergangenen Winter auch Fiebersäfte produzierten, picke sich der Versandhandel die Rosinen aus dem Geschäft heraus. „Wenn die Politik will, dass die wohnortnahe Gesundheitsversorgung der Bürger funktioniert, muss sie die Apotheken vor Ort unterstützen und geeignete Regeln fest- und durchsetzen. Die Strukturen dürfen nicht zerstört werden“, mahnt Günter Stange.

Frank Schäffler hört zu und verspricht, die Probleme nach Berlin zu tragen. Der Haushaltspolitiker weist zum einen auf die Etatsituation im Bund hin und versichert doch zum anderen: „In einer alternden Gesellschaft brauchen wir eine stabile Apothekenversorgung. Wir können kein Interesse daran haben, dass die Apotheken vor Ort sterben.“
 

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