Enger 11.06.2024
Aktuelles

Engers Bürgermeister Meyer zu Besuch in der Apotheke vor Ort

Im vergangenen Jahr hat Apotheker Jens Kosmiky die Apothekenteams des Kreises Herford auf einen Protestmarsch geführt. Denn der Bezirksgruppenvorsitzende des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL) sorgt sich um die Versorgung seiner Patienten – und ebenso um seinen Beruf. Lieferengpässe und Bürokratie machen es immer mühsamer, den Menschen zu helfen und sie mit den notwendigen Arzneimitteln zu versorgen. Zugleich wird die wirtschaftliche Situation der Betriebe vor allem in kleineren Landapotheken immer schwieriger. Getan hat sich seit den Protesten leider nichts, deshalb hat er zum Tag der Apotheke den Engeraner Bürgermeister Thomas Meyer dazu eingeladen, sich an seinem Arbeitsplatz in der Engeraner Sonnen-Apotheke ein Bild von der Lage zu machen. 

Nicht einmal Mindestlohn

„Ich habe eine kleine, aber feine Apotheke auf dem Dorf, ganz klassisch“ erzählt Kosmiky seinem Gast. Bei der Führung durch die Räume lässt er Meyer einen Blick hinter die Kulissen der Apotheke vor Ort werfen: Unter anderem in die Rezeptur, in der die Mitarbeiter für die Patienten maßgeschneiderte Arzneimittel herstellen wie Salben und Cremes. Bis zu einer Stunde dauert die Herstellung mitunter, mindestens die Hälfte dieser Zeit geht für die aufwendige Dokumentation drauf. Der Lohn dafür: rund 6 Euro. „Das ist nicht annähernd Mindestlohnniveau“, kritisiert Kosmiky, der ehrenamtlich im Vorstand des AVWL tätig ist.

Ebenso wenig sei die Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln auskömmlich, fährt er fort. Denn die staatlich reglementierte Vergütung der Apotheken ist in den vergangenen 20 Jahren nur ein einziges Mal geringfügig von der Politik angehoben und im vergangenen Jahr trotz explodierender Kosten sogar noch gekürzt worden. „Jede zehnte Apotheke Deutschlands macht ein Defizit, ein Drittel aller Apotheken ist wirtschaftlich gefährdet“, berichtet Kosmiky. 

Im steilen Sinkflug

Mittlerweile zahlten die Apotheken pro verschreibungspflichtiger Arzneimittelpackung, die sie an gesetzlich versicherte Patienten abgeben, 46 Cent drauf. „Wir müssen also noch Geld mitbringen, um unsere Patienten versorgen zu können“, so Kosmiky. Möglich sei dies nur durch Quersubventionierungen aus anderen Bereichen. 

Diese nicht mehr auskömmliche Honorierung habe zur Folge, dass sich die Zahl der Apotheken bundesweit in einem immer steiler werdenden Sinkflug befinde: Im vergangenen Jahr sind bundesweit annähernd 500 Apotheken geschlossen worden – das entspricht der Gesamtzahl der Apotheken in Thüringen. Im Kreis Herford ist die Apothekenzahl in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent geschrumpft.

Riskante Pläne des Bundesgesundheitsministers

Falls das Bundesgesundheitsministerium seine geplante Apothekenstrukturreform umsetzen sollte, werde die Situation künftig noch verschärft, so Kosmiky. Mit dieser Reform wolle der Minister das Honorar angeblich zwischen größeren und kleinen Apotheken umverteilen. Dies allerdings sei eine Mogelpackung. Denn ein wissenschaftliches Gutachten belege, dass auch die kleinen Apotheken durch die Reform nur in homöopathischer Dosis bessergestellt würden und den großen zugleich hohe Einbußen drohten. Spezialleistungen und auch die Versorgung der Patienten mit innovativen, teuren Arzneimitteln, die von den Apotheken vorfinanziert werden müssten, würden dadurch massiv erschwert. „Die Versorgung der Patienten wird verschlechtert. Diese Umverteilung hilft nicht. Es ist schlicht zu wenig Geld im System“, so der Apotheker. 

„Zudem will der Bundesgesundheitsminister Apotheken ohne Apotheker schaffen, angeblich um die ländliche Versorgung Schwerkranker zu sichern. Umfassende Medikationsberatungen, Impfungen, die Abgabe von Betäubungsmitteln, die Herstellung von individuellen Rezepturen – das alles ist ohne Apotheker aber nicht möglich“, warnt Kosmiky und fügt hinzu: „Für die Patienten bedeutet dies nichts anderes als Leistungskürzungen.“ Verfassungsrechtler hätten zudem Bedenken gegen diese Pläne geäußert.

Hohe Folgekosten

Jens Kosmiky berichtet dem Bürgermeister von dem finanziellen Risiko, das ein Inhaber auf sich nimmt, wenn er ein Arzneimittel im Wert einer fünfstelligen Summe vorfinanziert – immer in der Sorge, dass die Krankenkassen das Medikament hinterher wegen irgendwelcher Formalia nicht erstatten. Er erzählt, dass er seinen Mitarbeiterinnen gern höhere Löhne zahlen würde. „Aber wenn die Politik die Vergütung der Apotheken nicht anpasst, können wir diese Gehaltssteigerungen nicht gegenfinanzieren“, so Kosmiky. Und er kritisiert, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit den Apotheken nicht ins Gespräch über all diese Fragen und Probleme gehe.

Thomas Meyer sieht die Schwierigkeiten. Er weiß um die Bedeutung der Apotheken vor Ort. „Um Kommunen in der Größe Engers lebenswert zu erhalten, bedarf es eines gut ausgebildeten Sozialsystems“. Dazu gehörten Schulen, Ärzte – und natürlich auch die Apotheken, die als erste Ansprechpartner oftmals als Lotsen im Gesundheitssystem agieren. Als Bürgermeister weist er vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen auf die angespannte Haushaltslage auf kommunaler Ebene hin und betont gleichzeitig die Dringlichkeit wichtiger Zukunftsinvestitionen etwa in Bildung, Infrastruktur und auch in die Gesundheitsversorgung. „Daher setze ich mich für einen größeren finanziellen Spielraum zugunsten dieser notwendigen Investitionen ein. Das würde auch den Apotheken helfen“, so Thomas Meyer. 

„Wenn es keine Apotheken vor Ort mehr gibt“, betont Kosmiky, „wird dies für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft noch viel teurer sein.“ Meyer stimmt zu und ergänzt abschließend: „In den letzten Jahren mussten viele Apotheken schließen, insbesondere im ländlichen Raum. Diesen Trend müssen wir stoppen und Apotheken vor Ort stärken, denn sie sind für eine flächendeckende Arzneimittelversorgung von zentraler Bedeutung.“

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