Münster 16.01.2025
Aktuelles

AVWL kritisiert Reformpläne der AOK

Richtige Diagnose, falsche Therapie: So kommentiert Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) das Positionspapier, das der AOK-Bundesverband nun für die Zeit nach der Neuwahl vorgelegt hat. 

„Die Gesundheitspolitik muss für den neuen Bundestag Priorität haben.“ In diesem Punkt stimmt Rochell der AOK-Vorstandsvorsitzenden Carola Reimann zu, die jüngst von der kommenden Regierung zügige Reformen gefordert hat. „Gerade die Arzneimittelversorgung und die Stabilisierung des flächendeckenden Apothekennetzes müssen zum Sofortprogramm einer neuer Regierung für die ersten 100 Tage nach der Wahl gehören“, fordert Rochell angesichts des dramatischen Apothekensterbens.

Potenzial ausschöpfen, Kosten eindämmen

Dass die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern sei, unter anderem indem die Prävention gestärkt wird, auch darin pflichtet Rochell dem AOK-Bundesverband bei. „Dies entspricht genau einem unserer Vorschläge, den wir Apotheker den Parteien in Berlin unterbreitet haben: Indem das Potenzial der Apotheken für die Primärversorgung und Prävention besser ausgeschöpft wird, lassen sich Folgekosten verhindern und die Lebensqualität der Patienten verbessern. Insbesondere durch eine verbesserte Begleitung der Arzneimitteltherapie können unnötige und teure Krankenhausaufenthalte verhindert werden, die Folge von Medikationsfehler sind“, so Rochell. Große Bedeutung komme in diesem Zusammenhang auch der elektronischen Patientenakte zu. Die Apotheke mit ihren Expertinnen und Experten für das Arzneimittel einschließlich der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel sei ohne Zweifel prädestiniert dafür, mit Leistungen rund um die Patientenakte entscheidende Verbesserungen für das Wohl der Patienten zu erreichen.

Auch das Wegwerfen von Arzneimitteln ließe sich reduzieren, wenn die Möglichkeiten der Apotheken erweitert würden: „Schätzungen zufolge werden bis zu 50 Prozent aller produzierten Arzneimittel entsorgt“, so Rochell. „Das muss nicht sein und ist gerade in Zeiten von Lieferengpässen und Klimawandel schlicht ein Unding.“ Durch Leistungen wie das patientenindividuelle Verblistern von Arzneimitteln ließe sich dem nicht nur entgegenwirken, sondern Apotheken könnten auf diese Weise auch Pflegekräfte und Angehörige entlasten und ermöglichen, dass Patienten länger selbstständig zu Hause leben. 

Statt aber solche Chancen zu ergreifen, die die Apotheken bieten, habe der AOK-Bundesverband in seinem Papier keine anderen Ideen, als „die zeitlichen, räumlichen und organisatorischen Anforderungen an Apotheken“ zu flexibilisieren, kritisiert Rochell. „Das ist Orwell‘scher Neusprech, mit Hilfe dessen der AOK-Bundesverband fordert, das Leistungsangebot einzuschränken und die Apotheken zu reinen Abgabestellen zu degradieren. Damit wird die Versorgung jedoch gewiss nicht wirtschaftlicher und besser, sondern im Gegenteil teurer, schlechter und ungerechter“, so Rochell weiter.

Faires Honorar

„Der Idee von mehr Prävention und Wirtschaftlichkeit wiederspricht auch, dass die gesetzlichen Krankenkassen sich nach wie vor gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen der Apotheken sträuben und sich gegen einen weiteren Ausbau stellen“, so Rochell. Dabei könnten gerade Blutdruckchecks, Inhalationsschulungen, Medikationsberatungen und weitere Vorsorgeleistungen teure Folgebehandlungen verhindern. Den Topf, aus dem die pharmazeutischen Dienstleistungen bezahlt werden, wolle der AOK-Bundesverband nun sogar abschmelzen. „Sinnvoller wäre es, diese Dienstleistungen künftig auskömmlich zu bezahlen, sodass sie für die Apotheken wirtschaftlich darstellbar sind. Dann können auch mehr Apotheken Dienstleistungen anbieten.“

Scharf kritisiert Rochell, dass die Kassen die Marge kürzen wollen, die die Apotheken erhalten, wenn sie ein hochpreisiges Arzneimittel abgegeben. „Die Apotheken müssen Arzneimittel teils im Wert von fünfstelligen Beträgen vorfinanzieren und bekommen die Kosten von den Kassen mitunter Wochen später zurückerstattet. Falls sie überhaupt ihr Geld bekommen, denn immer wieder kürzen die Kassen bei kleinen Formfehlern die Rechnungen auf null“, so Rochell. Wenn nun auch noch die geringe Marge von drei Prozent gekürzt werde, sei die Abgabe von hochpreisigen Arzneimitteln komplett unwirtschaftlich. „Ohnedies sind die Apotheken unterfinanziert, weil die staatlich geregelte Vergütung seit 20 Jahren de facto nicht mehr erhöht worden ist.“

Vor der eigenen Tür kehren

„Wenn der AOK-Bundesverband wirklich etwas verändern oder verbessern will, darf er im Übrigen nicht nur anderen gute Ratschläge geben, sondern muss auch vor der eigenen Tür kehren.“ So klage die AOK in ihrem Positionspapier über „bürokratische Konstrukte“ – und bürde doch selbst Leistungserbringern wie den Apotheken unnötige Bürokratie auf. Sie fordere eine Stärkung der Selbstverwaltung – und habe doch selbst maßgeblich zu verantworten, dass die Politik immer häufiger eingreife: „Aufgrund der strukturell ungleichen Verhandlungsstärke sind echte Problemlösungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen kaum mehr möglich. Dabei agieren die Kassen häufig nicht im Sinne einer guten Patientenversorgung, sondern allein in ihrem Eigeninteresse.“ Insofern stimme man der AOK zu: Die Selbstverwaltung müsse reformiert und gestärkt werden, und zwar indem der Gesetzgeber eine – effiziente – Aufsicht über Zweck- und Rechtmäßigkeit der Tätigkeit der Krankenkassen schaffe.

Lediglich 1,9 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen entfielen auf die Apotheken, so Rochell. „Gerade einmal halb so viel wie die Kassen für ihre eigene Verwaltung ausgeben.“
 

zur Übersicht

Kontakt

Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V.
Willy-Brandt-Weg 11
48155 Münster

Telefon: 0251 539380
Telefax: 0251 5393813
E-Mail: apothekerverband@avwl.de

Montag bis Freitag:
8:30 bis 13:00 und 14:00 bis 16:00 Uhr

Ihr Feedback

Schreiben Sie uns!