Detmold/Münster 07.04.2020
Aktuelles

Verunsicherung in den Apothekenteams

Die Sorge ist seit dem Ausbruch der Corona-Krise immer dagewesen. Dennoch kam die Schließung überraschend. Morgens schien noch alles gut, abends dann der Anruf aus dem Kreisgesundheitsamt: Die Apotheke dürfe in den kommenden Tagen nicht öffnen.

Eine Mitarbeiterin hatte sich mit dem Corona-Virus infiziert. Sie war scheinbar erkältet aus dem Österreichurlaub zurückgekommen, hatte zunächst in der Apotheke mitgearbeitet, war dann aber krank zu Hause geblieben. Ein paar Tage später ließ die Hausärztin einen Corona-Test machen: Ergebnis positiv. 

Ein Schock

Christian Schmidt, Inhaber der Hof-Apotheke und Chef der erkrankten Mitarbeiterin, meldete sich umgehend beim Kreisgesundheitsamt, nachdem er von dem Testergebnis erfahren hatte. Ein Risiko für die Patienten hatte nicht bestanden, denn Christian Schmidt hatte längst Glasscheiben vor den Verkaufstischen zum Schutz von Patienten und Mitarbeitern installieren lassen. Zudem hatte er immer sorgsam darauf geachtet, dass nur eine begrenzte Zahl von Kunden zugleich in der Apotheke war, der Mindestabstand und alle Hygienevorschriften eingehalten wurden. Die Apotheke könne geöffnet bleiben, wenn die Mitarbeiter Handschuhe und Schutzmasken trügen, lautete daher auch die erste Auskunft aus dem Kreisgesundheitsamt am Morgen. 

Am Abend des gleichen Tages jedoch ein zweiter Anruf aus der Behörde: Die Apotheke müsse doch umgehend geschlossen werden. „Das war ein Schock“, so der Inhaber. Mit Schutzausrüstung durfte Christian Schmidt noch einmal seine Apotheke betreten, um vorbestellte Arzneimittel herauszuholen, die einige schwerkranke Patienten dringend benötigten. 

Doch keine 24 Stunden später der nächste Anruf aus dem Gesundheitsamt: Er dürfe wieder öffnen, teilte die Behörde nun mit. Darüber ist Christian Schmidt einerseits einfach nur froh – andererseits fürchtet er, dass es jeden seiner Kollegen in Westfalen-Lippe und deren Patienten ähnlich treffen könnte. Schmidt, Bezirksgruppenvorsitzender im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), fordert daher für die Apotheken eine ähnliche Regelung, wie sie für Ärzte längst gilt. 

Sie dürfen nach den Quarantäne-Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) nämlich weiterarbeiten, auch wenn sich ein Kollege in ihrem Team angesteckt hat. Voraussetzung ist, dass ein „begrenztes Expositionsrisiko“ bestanden hat, die Ärzte dem infizierten Kollegen oder Patienten also nicht allzu nah gekommen sind, sie frei von Symptomen sind, einen Mund-Nasen-Schutz tragen und ein „relevanter Personalmangel“ besteht. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass Patienten nicht mehr versorgt werden können, weil zu viele Ärzte in Quarantäne bleiben müssen.

„Ein essentieller Beitrag“

Doch ob diese Regelung auch für die Apothekenteams gilt, ist nicht gewiss. Dabei kann es gerade im ländlichen Raum schwierig werden, die Patienten mit Arzneimitteln zu versorgen, wenn die einzige Apotheke im Ort geschlossen werden muss und die nächste kilometerweit entfernt ist. „Wir üben in den Apotheken nicht irgendeine Tätigkeit aus, sondern leisten für die Arzneimittelversorgung und somit die Gesundheitsvor- und -fürsorge einen essentiellen Beitrag“, betont Christian Schmidt. „Ohne unsere Arbeit würde die Gesundheitsversorgung zusammenbrechen.“

„Es fehlt eine Klarstellung“, kritisiert auch Dr. Klaus Michels, AVWL-Vorstandsvorsitzender. Er fordert daher, auch Apothekenmitarbeiter offiziell in die Gruppe „medizinisches Personal“ einzuordnen und nach den Empfehlungen des RKI zu verfahren. Die Kreisgesundheitsämter, die in der Corona-Krise derzeit enorm viel leisteten, bräuchten diese Klarheit ebenfalls, ergänzt Christian Schmidt.

Diese Ungewissheit, was bei einer Infektion passiere, sei für die Apothekenteams und die Inhaber eine Belastung, so Michels. Einige Apothekenleiter in Westfalen-Lippe versuchten deshalb, mit getrennten Teams zu arbeiten: zwei Mannschaften, die einander im Alltag nicht mehr begegnen. Kommt es in einem Team zu einer Ansteckung, kann das andere noch immer weiterarbeiten und die Patienten versorgen. Das sei allerdings organisatorisch schwierig umzusetzen, so Michels. Denn vielerorts seien die Apothekenteams knapp besetzt durch Krankheitsfälle anderer Art, einen generellen Fachkräftemangel in der Branche sowie Urlaube von Mitarbeitern mit Kindern. Zugleich sei der Arbeitsaufwand hoch, weil die Apothekenmitarbeiter zeitintensiv die Lieferengpässe managen müssten. Die Zahl der Kunden hingegen sei mittlerweile deutlich zurückgegangen, nachdem die Innenstädte durch die Corona-Krise verwaist und die Patientenzahlen in den Facharztpraxen deut-lich zurückgegangen seien. Getrennte Teams – das sei nicht durchzuhalten, so Dr. Michels.

Durchatmen

Christian Schmidt immerhin kann erst einmal durchatmen. Mittlerweile ist es mehr als drei Wochen her, dass die infizierte Mitarbeiterin zuletzt in der Hof-Apotheke war. „Die anderen Kollegen sind nach wie vor gesund und symptomfrei“, so Christian Schmidt erleichtert. Zudem seien die Corona-Tests bei den Mitarbeitern alle negativ gewesen. Auch die erkrankte Kollegin sei mittlerweile negativ getestet. „Ihr geht es wieder besser“, berichtet Christian Schmidt, „das ist die Hauptsache.“ 


Um die Arzneimittelversorgung und die Beratung der Patienten weiter gewährleisten zu können, fordert der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL)

  • auch Apothekenmitarbeiter offiziell in die Gruppe „medizinisches Personal“ einzuordnen und nach den Quarantäne-Empfehlungen des RKI zu verfahren, um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auch in Zukunft zu sichern, wenn die Zahl der Infektionsfälle zunimmt,
  • auch Apotheken vor Ort ausreichend mit Schutzausrüstung zu versorgen wie Mund-Nasen-Schutz, Atemschutz, Handschuhen und Schutzkitteln. 


 

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