In den Apotheken vor Ort herrscht Fachkräftemangel. Auch deshalb geht die Zahl der Apotheken seit Jahren zurück. Warum der Arbeitsplatz Apotheke dennoch eine Zukunft hat und für sie der schönste der Welt ist, erklären in einer kleinen Serie Inhaber, angestellte Apotheker, Studenten, Praktikanten sowie Pharmazeutisch-Technische Assistenten.
Der Lavendel blüht in dem Beet vor der Tür, Salbei, Eibisch, Rosmarin und Bohnenkraut wachsen. Die Sonne scheint - nicht zu heiß, sondern angenehm warm. In dem Café nebenan sitzen zwei Frauen entspannt ins Gespräch vertieft. Aus dem Supermarkt kommen Kunden mit Taschen, andere gehen hinein. Der kleine Platz ist lebendig, aber nicht laut und hektisch. „So habe ich mir das vorgestellt“, sagt Juliane Hermes – und lächelt.
Kindheitstraum Sie hat schon in der Grundschule davon geträumt: „Ich wollte immer Apothekerin werden.“ Wie der Urgroßvater, der Opa und der Papa. Ihr Vater hat sie oft in den Ferien mitgenommen in seine Apotheke in Bergkamen. Dort hat sie dann Brustkaramellen abgewogen, um die Dosen wieder aufzufüllen, die die Kunden zurück in die Apotheke brachten. Dort hat sie Tee abgefüllt und kleine Botendienste erledigt.
Abitur, Pharmaziestudium, praktisches Jahr. Dann die erste Anstellung – und zwei Jahre später mit damals nicht einmal 30 Jahren bereits die eigene Apotheke in Münster. Ernste Zweifel sind ihr nie gekommen, dass das richtig ist. Konkurrenz durch den ausländischen Versandhandel, das mögliche Ende der Preisbindung und weitere Herausforderungen durch neue Gesetze? „Es wird immer weitergehen mit der Apotheke vor Ort“, ist Juliane Hermes überzeugt.
Es ist Sommer, die Erkältungszeit längst vorbei. Dennoch gehen die Patienten zur Mittagszeit bei der 31-Jährigen hier im Aaseeviertel ein und aus. „Eigentlich müssten wir derzeit im Sommerloch stecken, aber wir haben Hochbetrieb“, sagt Juliane Hermes. Eichenprozessionsspinner und Mücken treiben die Patienten in die Apotheke. Sie klagen über Juckreiz, zeigen den Apothekenmitarbeitern Stiche und Pusteln. Es ist nicht so schlimm, dass sie sich deshalb beim Arzt ins Wartezimmer setzten. Aber doch so unangenehm, dass sie jemanden brauchen, der einen Blick auf den Ausschlag wirft und ihnen einen Rat gibt, was sie am besten dagegen tun können. Vor allem jemanden, der ihnen schnell hilft. „Der Stich juckt jetzt“, sagt Juliane Hermes, „da kann man nicht tagelang warten, bis ein Versender eine Salbe liefert. Zumal, wenn man gar nicht weiß, welche in diesem Fall die richtige ist.“
Angekommen Kranken Menschen helfen, sie beraten – das ist, was ihr im Beruf am meisten Spaß macht. Wenn die Patienten ein paar Tage nach dem ersten Besuch wiederkommen, sich besser fühlen und für einen guten Tipp bedanken, dann freut sich Juliane Hermes. Wenn sie in der Pause oder nach Feierabend im Supermarkt nebenan zwischen Obstabteilung und Nudelregal um einen Rat gefragt wird, dann ist sie glücklich „hier angekommen“ zu sein. „Ich bin ein Teil des Quartiers. Ich kenne meine Kunden und ihre Familien“
Es macht ihr nichts aus, dass der Arbeitstag mehr als acht und die Woche viel mehr als 40 Stunden hat. Sie hat gar nicht mehr das Bedürfnis, Stunden zu zählen, so gern ist sie in ihrer Apotheke. Alles selbst entscheiden zu können, nichts im Sortiment führen zu müssen, das irgendein Chef, aber nicht sie selbst den Kunden verkaufen möchte, macht sie zufrieden.
Sie ist für sechs Mitarbeiter zuständig, hat viel Geld für die komplett neu eingerichtete Apotheke aufnehmen müssen. „Das ist eine große Verantwortung“, räumt sie ein. Schlaflose Nächte aber hat sie deshalb nicht. „Ich habe die Entscheidung noch nicht einen Moment bereut. Ich glaube an diesen Standort – und an die Vor-Ort-Apotheke. Denn Menschlichkeit und Nähe – das werden Kranke immer brauchen.“
© Apothekerverband Westfalen-Lippe e.V. | 2021
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