Der Bundestag hat mit der Verabschiedung des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes erste Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beschlossen. Doch diese Maßnahmen werden nicht ausreichen, die Versorgung der Patienten nachhaltig zu sichern, warnen die Apotheker in Westfalen-Lippe.
Die Symptome mögen gelindert sein, aber ein wirksames Mittel ist nicht gefunden: Mit der Verabschiedung des Faire-Kassenwettbewerb-Gesetzes sind einige Maßnahmen gegen die anhaltenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln beschlossen worden. „Das sind zwar Schritte in die richtige Richtung, die aber noch nicht weit genug gehen“, kritisiert Sarah Doll, Vorsitzende der Bezirksgruppe Unna im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL).
„Dass Patienten künftig keine Mehrkosten bei Nichtlieferbarkeit fürchten müssen, ist fair und vernünftig“, sagt Sarah Doll. „Auch strengere Meldepflichten für Hersteller und Großhändler bei Lieferengpässen sind richtig“, so die Apothekerin aus Schwerte.
Dennoch bleiben die Apotheker in Westfalen-Lippe skeptisch. Rund 200 gängige Arzneimittel sind seit Monaten in Deutschland nicht verfügbar. „Das Problem könnte möglicherweise sogar noch größer werden“, sagt Sarah Doll. Denn wegen des Kostendrucks im Gesundheitswesen werden viele Wirkstoffe für Arzneimittel nur noch in wenigen Betrieben weltweit hergestellt – viele davon in China gelegen. Teilweise kommt es dort aufgrund des Coronavirus‘ zu Produktionsproblemen.
Risiko für Gesundheitsversorgung „Die aktuelle Situation ist eine Folge dieses Kostendrucks und damit ein Beleg dafür, dass die Gesundheitsversorgung der Bürger nicht den uneingeschränkten Kräften des freien Marktes und Preiswettbewerbs unterworfen werden darf“, warnt Dr. Klaus Michels, AVWL-Vorstandsvorsitzender. „Oligopole und Monopole bergen ein großes Risiko von Versorgungsengpässen“, so Michels.
Deshalb brauche man auch dringend Klarheit in Sachen Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel, betont er. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes sind ausländische Versandhändler nicht mehr an die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gebunden – im Gegensatz zu den Vor-Ort-Apotheken in Deutschland. Das führt zu einer nicht gerechtfertigten Wettbewerbsverzerrung und bedroht zudem das Preissystem in Deutschland, wo verschreibungspflichtige Arzneimittel bislang für alle Versicherten gleich viel kosten. Die Preisbindung verhindert, dass sich die Apotheken einen ruinösen Preiskampf liefern und damit die flächendeckende Versorgung mit Medikamenten durch Vor-Ort-Apotheken – etwa im Nacht- und Notdienst – gefährdet wird. Zudem soll kein Patient Angst haben müssen, übervorteilt zu werden oder nach der billigsten Apotheke suchen zu müssen, obwohl er sich krank fühlt.
„Gerade das Problem der Lieferengpässe zeigt, wie wichtig ein flächendeckendes Netz von Apotheken vor Ort ist“, so Sarah Doll. Denn ohne die persönliche Beratung durch die Apothekerinnen und Apotheker, wie im Falle eines Engpasses ein Arzneimittel ausgetauscht werden kann und was die Patienten dann beachten müssen, wären solche und ähnliche Probleme gar nicht zu meistern, so die Apothekerin.
Verlässliche Lösung gefordert „Wir erwarten vom Gesetzgeber eine verlässliche und rechtlich wirksame Lösung, die die sichere Versorgung aller Patienten zu gleichen, fairen Preisen gewährleistet“, so Dr. Klaus Michels. „Wir brauchen endlich Klarheit im Sinne des Patienten und Verbraucherschutzes. Hinzu kommt, dass wir eine verlässliche Grundlage brauchen, damit sich wieder mehr junge Apothekerinnen und Apotheker in die Selbstständigkeit wagen – gerade in ländlichen Regionen.“
Die bisher beschlossenen Maßnahmen gegen Lieferengpässe reichen nach Überzeugung der Apothekeninhaber in Westfalen-Lippe nicht aus. Sie fordern darüber hinaus:
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