Ansturm der Patienten, Lieferengpässe managen, Botensendungen organisieren, Desinfektionsmittel herstellen. Die vergangenen Wochen seit dem Ausbruch der Corona-Krise sind anstrengend gewesen in der Apotheke am Alten Markt in Bielefeld, auch die kommenden werden es vermutlich bleiben. Maren Gottesmann, 28 Jahre alt, klingt dennoch ruhig und gelassen. Denn auf Krisen ist sie gut vorbereitet: Maren Gottesmann ist Mitglied bei Apotheker ohne Grenzen (AoG).
Wobei die Krise relativ ist. Das bestätigt auch Melanie Bergkemper. Verglichen mit den Ebola-Ausbrüchen in Afrika sei man hier in Deutschland selbst in der Corona-Epidemie weit von einer Krise entfernt, fügt sie hinzu. Die eigentliche Tragödie stehe der Welt nun bevor, wenn sich das Virus in Afrika weiter ausbreite. Denn Abstandsgebote seien in vielen Slums kaum einzuhalten, Hygieneregeln allein aufgrund der Wasserversorgung kaum zu befolgen – von der Versorgung mit Desinfektionsmit-teln, Medikamenten und Schutzausrüstung ganz zu schweigen. Im Jahr 2017 hat die heute 29-Jährige zwei Wochen Urlaub in Kenia verbracht – und unterwegs durchs Land erleben müssen, wie Menschen dort ohne Wasser und Strom leben müssen. „Wie muss es dann erst um die Arzneimittelversorgung bestellt sein“, fragt sie – rhetorisch. Also ist auch sie nach dem Kenia-Urlaub Apotheker ohne Grenzen beigetreten.
Zwei Schulungen Helfen, das ist eigentlich ohnehin der tägliche Job der beiden Pharmazeutinnen. Maren Gottesmann tut es unmittelbar in der Bielefelder Apotheke, in der sie angestellt ist, Melanie Bergkemper mittelbar in einem münsterischen Unternehmen der pharmazeutischen Industrie. Doch beide wollen mehr leisten, auch dort unterstützen, wo Hilfe noch dringender benötigt wird als hierzulande.
Bisher engagieren sie sich aus Deutschland heraus. Zwei Schulungen müssen die Mitglieder von Apotheker ohne Grenzen absolvieren, um sich auf ihre Aufgaben im Ausland, auf das Leben in Krisengebieten und den Umgang mit der Mangelwirtschaft, der Organisation der Arzneimittelverteilung dort vorzubereiten. Erst danach werden die Helfer für den Einsatz im Ausland „freigeschaltet“. Maren Gottesmann hat die erste Schulung abgeschlossen, wartet nun darauf, dass die Corona-Lage sich soweit entspannt, dass auch die zweite stattfinden kann. Melanie Bergkemper hat zwar beide absolviert, aber Promotion und Berufsstart haben bisher keine Zeit für einen der zumeist zweiwöchigen Auslandeinsätze gelassen. Jetzt ist die Corona-Krise dazwischen gekommen: Nepal, Kenia, Tansania, wo sich die beiden gern in den AoG-Projekten engagieren würden, müssen warten.
Sponsorenlauf ausgebremst Aber echte Hilfe braucht nicht spektakulär zu sein. Derzeit unterstützen Maren Gottesmann und Melanie Bergkemper die Organisation durch Öffentlichkeitsarbeit, um die Schwester der berühmteren „Ärzte ohne Grenzen“ noch bekannter zu machen. Zudem sammeln die beiden mit ihrer AoG-Regionalgruppe in Münster, der einzigen in Westfalen, Spendengelder, die die Hilfsorganisation für ihre Aktivitäten benötigt. „Man kann auch so seinen Beitrag leisten und viel erreichen“, sagt Maren Gottesmann. „Die Einsätze müssen schließlich finanziert werden“, ergänzt Melanie Bergkemper. Doch auch das Fundraising ist mit der Corona-Krise schwieriger geworden. Informationsstände und Sponsorenläufe organisieren – das ist derzeit nicht möglich, obgleich die Mittel doch dringend benötigt werden.
Dennoch, irgendwann, da sind sich beide sicher, werden sie sich auch in einem der Auslandprojekte engagieren. Vielleicht, wenn die Corona-Krise zumindest hier in Deutschland und Europa im Griff ist.
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