Münster/Detmold. 25.05.2021
Aktuelles

„Der Code ist das Medikament“

Kinder benötigen eine andere Dosis als Erwachsene, Senioren als Mittdreißiger und Frauen als Männer. Für jeden Patienten das richtige Mittel in der passenden Menge zu liefern, ist mit industriell produzierten Arzneimitteln kaum möglich. In Zukunft aber werden Apotheken vor Ort Patienten ganz individuell versorgen können: mit Medikamenten aus dem Drucker, auf Esspapier aufgebracht. Das Institut für industrielle Informationstechnik (inIT) entwickelt  mit dem Fachbereich Life Science Technologies der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) solch ein Verfahren.

Fälschungssicher

Vor allem in der Krebstherapie, der Kinderheilkunde und der Geriatrie spielen individualisierte Arzneimittel, angepasst an Alter, Stoffwechsel und Gen-Setting des Patienten, eine zunehmend wichtige Rolle, erklärt Gerd Kutz. Er ist Professor für Pharmazeutische Technologie an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Also entwickelt er gemeinsam mit Volker Lohweg, ebenfalls Professor im Studiengang Medizin- und Gesundheitstechnologie und Leiter des Instituts für industrielle Informationstechnik (inIT)ein neues, kostengünstiges Verfahren. Eingefärbte Arzneimittellösungen werden wie mit einem Tintenstrahldrucker auf Stärkeoblaten gedruckt - und zwar in Form von QR-Codes. „Der Code ist das Medikament“, so Professor Kutz. Zugleich werden alle wichtigen Informationen zum Patienten, zu seiner Erkrankung und zum Mittel in dem Code fälschungssicher gespeichert. Bevor der Patient das Mittel einnimmt, kann er über eine App auslesen, ob es sich auch wirklich um sein Präparat handelt. Denn gerade bei individualisierten Arzneimitteln wäre eine Verwechslung, etwa auf der Station eines Krankenhauses, fatal. Deshalb sei es wichtig, über diesen Code sicherzustellen, dass das richtige Mittel zum richtigen Patienten kommt, so Kutz.

Mehr Sicherheit würde ein solcher Code künftig auch in weiteren Versorgungsbereichen geben, ist Professor Kutz überzeugt. Etwa bei der Verblisterung von Arzneimitteln, also dem individuellen Porti-onieren der Medikation für Patienten, die mehrere Mittel zu verschiedene Tageszeiten einnehmen müssen. Apotheken und Blisterzentren, also Zulieferbetriebe für die Apotheken, verpacken die Mittel für den einzelnen Patienten ab, zum Beispiel in kleine Plastiktütchen. Für jeden Einnahmezeitpunkt des Tages gibt es ein Tütchen mit allen Tabletten, die dann geschluckt werden müssen. Mit einem Code auf dem Tütchen oder dem Dosett, den der Patient, seine Angehörigen oder der Pflegedienst per App ausliest, ist sicherzustellen, dass der Patient aus dem Blisterzentrum auch wirklich das richtige Tütchen erhalten hat. „Und bestenfalls lässt sich die Tüte oder Dose auch nur dann öffnen, wenn Patient und Code zusammenpassen“, sagt Gerd Kutz. „Wir arbeiten also nicht nur an der Entwicklung einer neuen dosisindividualisierten Darreichungsform, sondern auch an der sicheren Identifizierung der Arznei“, so Gerd Kutz.

Ausbildung anpassen

Digitalisierungsserie
Teil I Tante Emma mit Hightech-Labor
Teil II

Für jeden die richtige Dosis: Wie Apotheken Tabletten individuell verpacken

Teil III Das E-Rezept kommt - Papier bleibt auch
Teil IV Wenn der Patient keinen Plan hat

Was nun die Esspapier-Drucker anbetrifft: Die sieht der Wissenschaftler zwar nicht in jeder kleinen Apotheke vor Ort stehen. „Denkbar wäre aber, dass sich mehrere Apotheken zusammenschließen und gemeinsam einen Drucker betreiben“, so Kutz. Und das bereits in absehbarer Zeit: „Fünf Jahre – das halte ich durchaus für realistisch.“ Die genetischen Gegebenheiten der Patienten auswerten, Daten – wie etwa die Vitalparameter - individuell bestimmen, auf dieser Grundlage Patienten intensiv beraten und die auf den einzelnen zugeschnitten Arzneimittel herstellen – darin sieht Kutz die Zukunft der Apotheken vor Ort. Darauf allerdings müsse man die Apotheker von morgen auch vorbreiten, so der Hochschullehrer. Diese Anforderungen müssten auch im Studium im Bereich der Wahlpflichtfächer abgebildet werden, fordert er. Mit der TH OWL und der Universität Bielefeld arbeitet er deshalb an einem Konzept für einen neuen Pharmaziestudiengang.

„Digitalisierung, Assistenzsysteme, Datenbanken, aber auch der erhöhte Beratungsbedarf der Patienten – all das muss in der Ausbildung der Apotheker von morgen berücksichtigt werden.“


Prof. Dr. Gerd Kutz ist Pharmazeut, Professor für Pharmazeutische Technologie und Technologie der Kosmetika und Waschmittel  sowie Sprecher des Forschungsschwerpunkts Applied Health Science an der Technischen Hochschule OWL.

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