Krebs. Operation. Chemotherapie. Strahlentherapie. Allein die Diagnose lässt den sicheren Boden unter den Füßen einstürzen. Auf dem Weg aus diesem Abgrund, in den Patienten zunächst fallen, scheint die Therapie vielen als zusätzliche Last auf den Schultern. Mancher tritt den Weg daher erst gar nicht an. Mancher gibt wegen der Nebenwirkungen nach halber Strecke auf. Mancher kann aus der Fülle an Informationen und Ratschlägen, die von allen Seiten an ihn herangetragen werden, nicht die richtigen filtern.
„Damit die Therapie stabil verlaufen kann, muss es den Patienten damit gut gehen“, sagt Stefanie Heindel. Hierbei zu unterstützen – das ist auch Aufgabe der Apothekerin. Stefanie Heindel gehört zum Team der Hohenzollern Apotheke in Münster, eine der Apotheken in Westfalen-Lippe mit Sterillabor, in dem unter anderem Zytostatika für Krebspatienten hergestellt werden.
Wie Nebenwirkungen vermieden werden Idealerweise vor Therapiebeginn berät Stefanie Heindel die Patienten, beantwortet all die Fragen, die sich bei ihnen aufgetürmt haben. Bis zu einer Stunde können diese Gespräche dauern, um auftretende Probleme zu klären und Unsicherheiten auszuräumen. Stefanie Heindel spricht zum Beispiel über Mundspülungen und Zahnpflege, Hautpflege und Ernährung bei Magen- und Darmproblemen. „Den Patienten soll vermittelt werden, was sie erwartet und was sich gegen Nebenwirkungen tun lässt, um diese entweder zu vermeiden oder abzumildern“, sagt sie. Stefanie Heindel erklärt zum Beispiel, warum Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine bestimmte Nebenwirkungen unter der Therapie noch verschärfen können. Sie räumt mit Fehlinformationen auf – etwa, dass man den Krebs aushungern könne, indem man keinen Zucker mehr esse. „Viele Patienten holen sich Rat bei anderen Betroffenen“, erzählt Stefanie Heindel. „Die Krebstherapie wird aber zunehmend personalisiert. Was für den einen Patienten richtig ist, kann für den anderen unter Umständen nicht hilfreich sein.“
Im Rahmen der Arzneimittelversorgung gehört diese Beratung für das Team der Hohenzollern Apotheke zur Betreuung ihrer Patienten dazu. Damit krebskranke Patienten eine solche Leistung bekommen können, müsse es allerdings auch spezialisierte Apotheken in Wohnortnähe geben, warnt Stefanie Heindel vor einer Zentralisierung der Herstellung. Zudem müssten die Apothekenteams eng mit Ärzten, Pflegekräften und Angehörigen zusammenarbeiten, fügt sie hinzu.
Die Beratungsleistung bekommen die Apotheken allerdings von den Krankenkassen nicht eigens vergütet. Pro Herstellung erhält die Apotheke einen Arbeitspreis von 81 Euro; der Aufwand dafür ist enorm (siehe Kasten).
Die Patienten aber honorieren die Beratung und die Versorgung. „Sie geben uns mit ihrem Dank viel zurück“, sagt Angelika Plassmann, zusammen mit Max Eberwein Inhaberin der Hohenzollern Apotheke. Mit schwer, manchmal unheilbar kranken Menschen zu tun zu haben, sei zwar auch eine Herausforderung. „Aber der stelle ich mich gern, weil ich sehe, dass ich helfen kann“, sagt sie. „Und ich habe für mich selbst eine ganz andere Lebenseinstellung gewonnen und gelernt, Lappalien nicht so wichtig zunehmen“, sagt Angelika Plassmann.
Nur 60 Minuten Zeit Zudem sei die Herstellung von Zytostatika sowie die Beratung für einen Pharmazeuten auch fachlich eine besondere Aufgabe, so Alexander Sundermann, Leiter der Sterilherstellung. Die Apothekenteams müssen stets auf aktuellem Stand der Leitlinien sein, sich ständig weiterbilden und in wissenschaftlichen Fachgesellschaften mitarbeiten – wie der Gesellschaft für onkologische Pharmazie und der deutschen Krebsgesellschaft.
Eine logistische Herausforderung ist die Zytostatika-Herstellung dazu. In der Arztpraxis wird am Tag der Therapie das Blutbild des Patienten ermittelt – davon abhängig produziert die Apotheke vor Ort individuell die richtige Dosis. „Je nach Arzneimittel und dessen Haltbarkeit bleiben manchmal gerade einmal 60 Minuten Zeit für die Herstellung und Lieferung“, so Alexander Sundermann.
Im Sterillabor stellt das Team der Hohenzollern-Apotheke auch individuelle Ernährungslösungen her, die Patienten per Infusion bekommen. Dazu Schmerztherapien für Palliativpatienten, Augenspritzen und Augentropfen, Antibiotikalösungen.
Das Klischee, dass Apotheker nur Schubladen ziehen und Packungen verkaufen – es wird hier ganz besonders deutlich widerlegt.
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