Marl 26.02.2024
Aktuelles

Zu Besuch auf der Baustelle Apotheke

Seit Kindertagen bereits kommt er hierher, wenn die Nase läuft oder der Kopf weh tut. Die Apotheke nebenan in Marl kennt der SPD-Bundestagsabgeordnete Brian Nickholz also sehr gut – dachte er jedenfalls. Dass er vorn in der Offizin, also dem Verkaufsraum, bislang nur einen Bruchteil des Apothekenalltags gesehen hat, hat er nun bei einem Praktikum erfahren.

Fünf Stunden lang hat Brian Nickholz in der Hermann-Brassert-Apotheke dem Team und Inhaber Niklas Herkenhoff über die Schulter gesehen. Er hat das Backoffice gesehen, den großen Lagerautomaten, den Keller mit den Regalen und das Labor, in dem Arzneistoffe geprüft und individuelle Mittel für Patienten hergestellt werden. Er hat gesehen, wie viel Technik in der Apotheke steckt, wie viele Prozesse bereits digitalisiert worden und wie optimiert die Abläufe sind. „Wir können nicht noch effizienter werden, sonst würde die Beratung und persönliche Betreuung der Patienten leiden“, sagt Niklas Herkenhoff. „Aber genau diese Beratung wird von den Patienten gebraucht: Wir sind nicht nur in Arzneimittel-, sondern in vielen Gesundheitsfragen die ersten Ansprechpartner. Für die Menschen sind wir ganz einfach zu erreichen, sie müssen nur zur Tür hereinkommen.“

„Es geht einfach nicht mehr“ 

Brian Nickholz hat an diesem Vormittag erlebt, wie zeitaufwendig es für die Mitarbeiter ist, die Patienten zu beraten und im Falle eines Lieferengpasses eine Alternative zu finden. Und Lieferengpässe sind – zum Beispiel bei Antibiotikasäften – nach wie vor ein großes Problem. Brian Nickholz hat erfahren, wie groß dabei die Sorge der Apothekeninhaber ist, von den Krankenkassen in Regress genommen zu werden, weil eine kleine Formalie auf dem Rezept nicht korrekt gewesen ist. Mal sind es Tausende Euro, die die Apotheke verliert, wenn es sich um ein innovatives Mittel handelt. Oft sind es nur wenige Cent oder ein paar Euro – doch auch die läppern sich zu höheren Beträgen zusammen. 

Und das in einer Zeit, in der die Vergütung der Apotheken zum Zerreißen knapp auf Kante genäht ist. „Unsere Vergütung ist staatlich geregelt. Wir können – aus gutem Grund – Kostensteigerungen nicht an den Patienten weitergeben. Unter dem Strich haben wir von der Politik nun seit 20 Jahren keinen Inflationsausgleich mehr bekommen. Trotz hoher Geldentwertung, massiv gestiegener Kosten, Tariflohnsteigerungen und der Zinsentwicklung befinden wir uns auf dem Honorar-Niveau des Jahres 2004“, so Herkenhoff. „Es geht einfach nicht mehr.“ 

Mittlerweile zahlten die Apotheken pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel, das sie an einen gesetzlich versicherten Patienten abgeben, 46 Cent drauf. Möglich sei dies nur mit Hilfe der Einkaufskonditionen und Skonti, die der pharmazeutische Großhandel gewähre. Und genau diese Skonti würden in Zukunft möglicherweise durch ein jüngst vom Bundesgerichtshof gefälltes Urteil eingeschränkt. 

Im Sinkflug

In der Folge befindet sich die Zahl der Apotheken bundesweit in einem immer steiler werdenden Sinkflug. Und der Kreis Recklinghausen gehört seit Jahren bereits zu den Regionen in NRW mit den stärksten Rückgängen. 

Verschärft werde die Situation zusätzlich, wenn das Bundesgesundheitsministerium seine geplante Apothekenstrukturreform umsetzen sollte, warnt Herkenhoff. Denn diese würde erstens zu weiteren Honorareinbußen führen und zweitens zu einer Verschlechterung der Versorgung. „Der Bundesgesundheitsminister will Apotheken ohne Apotheker schaffen, angeblich um die ländliche Versorgung Schwerkranker zu sichern. Umfassende Medikationsberatungen, Impfungen, die Abgabe von Betäubungsmitteln, die Herstellung von individuellen Rezepturen – das alles ist ohne Apotheker aber nicht möglich. Genau diese Leistungen jedoch benötigen insbesondere schwerkranke Patienten.“ 

Planungssicherheit 

Diese Daseinsvorsorge für die Menschen ist Brian Nickholz ein Anliegen. Der 34-Jährige ist Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. „Die Versorgung der Menschen muss gewährleistet sein. Es ist mein Anspruch, dafür in Berlin zu arbeiten“, sagt er. Für die Forderung nach einer Erhöhung der Vergütung zeigt er Verständnis: „Die Politik hat hier eine Verantwortung.“ Vor allem aber hält er einen Mechanismus für erforderlich, damit die Vergütung regelmäßig an die Inflationsentwicklung angepasst wird: „Die Apotheken brauchen hier Planungssicherheit, nicht zuletzt um Investitionen tätigen zu können“, ist er überzeugt. Seine Bilanz am Ende des Apotheke-Praktikums: „Mir ist noch stärker bewusst geworden, wie viele Baustellen es in dieser Branche gibt.“
 

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