Vlotho 01.12.2023
Aktuelles

Jede dritte Apotheke gefährdet

Keine Fiebersäfte für die Kinder, keine Zäpfchen, keine Antibiotika und keine Nasensprays – massive Lieferengpässe bei Arzneimitteln haben in der vergangenen Erkältungssaison Eltern, Kinder und Apothekenteams stark belastet. Wie es in der nun anbrechenden Saison aussieht und welche Probleme derzeit in der Arzneimittelversorgung bestehen, darüber hat sich der Patientenbeauftragte der Bundesregierung und SPD-Abgeordnete im Kreis Herford, Stefan Schwartze, nun in der Markt-Apotheke Vlotho informiert. 

„Die Engpässe bestehen weiter“, können Kreisvertrauensapotheker Edward Mosch und Jens Kosmiky, Vorsitzender der Bezirksgruppe Herford im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL), dem Politiker wenig Hoffnung machen. Noch seien die Lager der Apotheken gefüllt – aber bei einer starken Erkältungswelle auch schnell geleert. Darüber hinaus bestünden nicht nur bei Erkältungs-, sondern auch bei vielen anderen Arzneimitteln wie Psychopharmaka, Herz-Kreislauf-Medikamenten, Medikamenten für Diabetespatienten, Beruhigungsmitteln für Sterbende dramatische Engpässe. Es gebe eigentlich keine Arzneimittelgruppe mehr, die nicht von Lieferschwierigkeiten betroffen sei, so Edward Mosch. 

Die Regelungen, die die Bundesregierung getroffen habe, seien nicht geeignet, die Engpässe nachhaltig zu bekämpfen, also die Produktion zurück nach Europa zu holen und die Arzneimittellieferungen in das Billigland Deutschland zu lenken, ergänzt Jens Kosmiky. „Zugleich ist es der Bundespolitik nicht gelungen, den Apotheken ausreichende und unbürokratische Handlungsspielräume zu geben, die sie brauchen, um die Patienten im Falle von Lieferengpässen versorgen zu können“, kritisiert er weiter. „Wenn ich bei Abgabe eines nichtrabattierten Arzneimittels zehn Minuten dokumentieren muss, damit ich von den Krankenkassen nicht in Regress genommen werde, steht das in absolut keinem Verhältnis.“

Honorar nicht mehr auskömmlich

Während die Probleme also groß bleiben, wird die Zahl der Apotheken, die sie lösen können, immer kleiner. Rund 500 schließen voraussichtlich in diesem Jahr bundesweit – und der Trend wird sich beschleunigen. Gerade im ländlichen Raum befürchtet Edward Mosch, dass sich die Versorgung der Menschen verschlechtern wird, wenn das Bundesgesundheitsministerium seine angekündigten Pläne für eine Apothekenreform tatsächlich umsetzt. Dann werde es auf dem Land nur noch wenige Apotheken geben, die Nacht- und Notdienste leisteten und die selbst Arzneimittel anfertigten wie Fiebersäfte oder individuell produzierte Salben. „Die Patienten müssen dann immer weitere Wege auf sich nehmen“, sagt der Kreisvertrauensapotheker. „Die nächstgelegene Apotheke mit eigener Herstellung dürfte dann bis zu einer Stunde Fahrtzeit entfernt liegen, wenn es nach Herrn Lauterbach geht. Die Ideen des Ministers für die Gesundheitsversorgung der Patienten sind höchst gefährlich.“ Und Kosmiky stellt klar: „Das ist keine Reform, das ist blanker Irrsinn.“

Aber selbst wenn die Reform nicht kommen sollte: „Auch dann wird die Zahl der Apotheken wohl weiter zurückgehen, weil die staatlich geregelte Honorierung nicht mehr auskömmlich ist“, sagt Jens Kosmiky. In den vergangenen 20 Jahren sei die Vergütung nur ein einziges Mal geringfügig erhöht und zu Beginn dieses Jahres sogar gekürzt worden – trotz steigender Kosten und hoher Inflation. „Jede zehnte Apotheke schreibt rote Zahlen, ein Drittel aller Apotheken vor Ort ist mittlerweile wirtschaftlich gefährdet“, warnt er. Seit Monaten protestierten die Apotheken daher, um auf ihre ernste wirtschaftliche Situation aufmerksam zu machen. Mosch ergänzt noch: „Das geht soweit, dass viele Kolleginnen und Kollegen nicht wissen, wie sie die anstehenden und prinzipiell absolut richtigen Lohnsteigerungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt noch stemmen sollen. Lauterbach ignoriert unsere Angestellten komplett. Wären alle Apotheken ein einziges Großunternehmen mit 160.000 Mitarbeitern, würde die Politik schneller handeln. Wir brauchen Geld im System, und zwar schnell!“

„Die Versorgung im ländlichen Raum muss gesichert und gestärkt werden“, ist auch der Patientenbeauftragte Stefan Schwartze überzeugt. „Wir brauchen die Apotheken vor Ort als niedrigschwellige Anlaufstelle für die Patientinnen und Patienten. Die Apothekenteams bieten einen unkomplizierten Zugang zu Präventionsangeboten und zu Gesundheitsinformationen. Sie stärken die Gesundheitskompetenz der Bürger. Dieses Potenzial müssen wir ausbauen – und dürfen es nicht aufs Spiel setzen.“
 

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